Do. Mrz 28th, 2024

Durchreisende
Beim BKA gehen Hinweise des amerikanischen Geheimdienstes auf einen Selbstmordattentäter ein. Man versucht, den drohenden großen Anschlag auf österreichischem Staatsgebiet zu verhindern. Kann man dem Attentäter rechtzeitig auf die Spur kommen?
Reisende, deren Geschichten sich im Laufe der Handlung mehr und mehr eröffnen, steigen ahnungslos in den Fernbus Belgrad – Wien, in dem eine Bombe liegt. Wo, wann und durch wen wird der Sprengstoff gezündet? Lässt sich die drohende Katastrophe verhindern?
Manches in diesem Buch kommt einem bekannt vor, als gäbe es Parallelen zu zeitgeschichtlichen Ereignissen. Es wird fertigerzählt, was geschehen hätte können. Oder was kommen wird?
Ein hoch brisanter Roman mit Schauplätzen in Griechenland, am Balkan, in Wien und Rom. Spannung bis zum Schluss und eine nicht zu überbietende Wende am Ende der Geschichte.
Im Buch findet sich ein ausführliches Nachwort des bekannten Schauspielers Cornelius Obonya.

Leseprobe aus dem Buch
Er hat sich in den Monaten seiner Flucht noch nie so wohl gefühlt wie hier in Janis’ Wohnung. Es war beim vierten Gespräch im Busbahnhof-Café – sie sprachen in einem Gemisch aus Deutsch und Englisch –, als die Frau unvermittelt sagte: »Ich hoffe, du verstehst das nicht falsch, du könntest bequemer illegal in meiner Mietwohnung wohnen. Und eine gründliche Dusche hast du mehr als notwendig. Ich glaube, ich kann dir vertrauen, darum biete ich dir das an. Missbrauchst du mein Vertrauen, werfe ich dich auf der Stelle hinaus. Ich weiß, wo die Polizei dich findet, solltest du mich bestehlen.« Farid wusste erst nicht, ob er das verlockende Angebot annehmen solle. Was bedeutete das für sein Vorhaben? Entweder krepierte er hier oder es gelang, die verdammte letzte Grenze zu überwinden. Janis beschrieb ihre Wohnung: Sie hat auf das von »No way« angebotene, kostenlose Zimmer verzichtet. Kleine Wohnungen stehen in Belgrad in genügender Anzahl frei. Einer der serbischen Unterstützer der NGO, Zoran, hat ihr seine neu renovierte Kellerwohnung zu unglaublich günstigen Konditionen überlassen. Natürlich ohne Mietvertrag. Laut ihrer Aufenthaltsbestätigung ist sie Zorans Gast. Der wohnt wiederum einen Stock höher, ohne offiziellen Mietvertrag, in der Wohnung eines Freundes. Unklar ist, ob dieser Freund tatsächlich Besitzer der Wohnung ist. Vor der Tür der Kellerwohnung stinkt es nach Katzenpisse. Die im zweiten Stock werfen jeden Abend den Kater mit dem malträtierten Bein aus der Wohnung. Das Stiegenhaus des fünfstöckigen Baus ist bei dieser Kälte sein Revier. – Noch ein Heimatloser? –, dachte Farid, als Janis davon erzählte. Alles, was Janis braucht, hat sie hier. Fernseher, Internet, Handyempfang. Die Küche ist gut eingerichtet. Sonst gibt es an Möbeln noch einen alten Kasten, der Janis’ Kleidung einen etwas abgestandenen Geruch verleiht, und ein knarrendes Bett. Der Supermarkt ist nicht weit weg, alle Konzerne des reichen Europas sind in Belgrad inzwischen gelandet. Janis kauft lieber in den kleinen Läden. Der nächste davon ist, wenige Schritte entfernt, in einer alten Baracke untergebracht. Wer Geld hat, kann in Belgrad alles kaufen. Das sind aber nur wenige. Die große Mehrheit muss an allem sparen. Im Haus wohnt ein alter Mann, der 120,- € Rente bezieht. Im Winter braucht er monatlich 70,- € für die Elektroheizung seiner kleinen Wohnung. Der Rest bleibt fürs Leben. Kein Einzelfall. Erstaunlich, mit welcher stoischen Gelassenheit die Belgrader ihre Lage hinnehmen. Genauso erstaunlich, meinte Janis, ist es, welche lächerlichen Kleinigkeiten ihren österreichischen Landsleuten lebensbedrohliche Probleme zu sein scheinen. Farid und Janis vereinbarten die Besichtigung der Wohnung noch für denselben Tag. Es gibt einen fensterlosen Vorratsraum, der früher einmal ein Kellerabteil gewesen sein muss. Groß genug, um eine Matratze auf den Boden legen zu können. Farid meinte, er könne auch ohne Matratze schlafen, er habe sich inzwischen daran gewöhnt. Janis aber hatte im nahen Einkaufszentrum eine Art Futon entdeckt. Sie bestand darauf, die Rollmatratze zu kaufen, falls Farid ihr Angebot annehmen wolle. Nachdem er geduscht hatte und in die von der Frau gekauften Kleider geschlüpft war, saßen sie im Wohnzimmer, das Janis auch als Schlafzimmer nützte, und tranken Kaffee. »Wenn Sie das auf sich nehmen wollen,« sagte er unvermittelt, »es ist die erste normale Wohnmöglichkeit auf meiner Flucht. Ich könnte mich nützlich machen. Kochen, alles, was es im Haushalt zu tun gibt …« Janis fiel ihm ins Wort: »Ich brauche keinen Bediensteten. Du bist mir nichts schuldig.« »Warum tun Sie das?« Es brauchte eine Weile, bis Janis zu einer Antwort fand: »Einfach so.« Farid spürte, wie sie sich einer Antwort entzog. »Niemand darf es wissen!« Janis brachte Distanz zwischen sich und die gestellte Frage. »Dass du hier wohnst, darf niemand wissen. Du musst deinen Tagesablauf beibehalten. Deinen bisherigen Nachtgenossen lieferst du eine nachvollziehbare Erklärung, warum du nicht mehr in der Fabrikhalle schläfst.« »Sollte jemand fragen, sage ich, ich bin bei einem Bauern am Stadtrand untergekommen. Einige von uns schlafen in Schweineställen. Alle meine Leidensgenossen träumen von einem warmen Schlafquartier. Den Gestank von Schweinen vergisst man schnell.« Und so geschah es dann noch am selben Abend. Es war der fünfte nach dem ersten Gespräch mit der Frau. Alle Befürchtungen entpuppten sich als grundlos. Farid kennt die Fallen, in die Flüchtlinge geraten können. Es gab Gerüchte, in Istanbul seien welche verschwunden, deren Körper viel Geld als Organspender abwarfen. Frauen verschwinden in die Prostitution, schöne Jünglinge kidnappt man. In der Erntezeit fängt man sich ein paar der bedauernswerten Geschöpfe, nimmt ihnen ihre Papiere weg, sollten sie welche besitzen, und hält sie wie Sklaven. Man schindet sie, bis sie ausgelaugt und damit wertlos sind und schmeißt sie dann zurück auf die Straße. Kinder verkauft man an Kinderlose in reichen Ländern. Sie dürfen sich als Retter fühlen, die eine sichere Heimat bieten. Was Menschen mit ihren Mitmenschen anstellen, wenn sie Macht über sie haben? Man muss vorsichtig sein. Farid traut sich eine gewisse Erfahrung und Menschenkenntnis zu. – Diese Frau kann niemandem etwas zuleide tun. Man muss vielmehr auf sie aufpassen, damit niemand ihr etwas antut. – Warum bot sie ihm ihre Wohnung an? Tausende seinesgleichen gibt es, warum ihm? Vielleicht das richtige Wort zur richtigen Zeit? Vielleicht Glück? Man darf mit dem Guten im Menschen rechnen. Auch das hat er erlebt. Er wäre nicht bis hierhergekommen, ohne das Gute im Menschen. Darum ist er Christ geworden. Er will an den Gott der Liebe glauben. Heute Morgen sagte Janis: »Wenn ich zurückkomme, werde ich dir ein Geheimnis verraten … Nein, keine Sorge, nichts Schlimmes.« – Hat sie sich mit ihren Eltern versöhnt? –, fragt Farid sich. Janis hat von ihrem Problem bei einem der Gespräche erzählt, die sich seit seinem Einzug immer wieder ergeben und oft in ungeahnte Länge ziehen. Er hat sich gefragt, wie er reagieren würde, hätte er eine Tochter, die in der Heimat alles hinschmeißt, nach zehn Jahren zurückkommt, vertrieben und verloren. Er versteht die Reaktion der Eltern. Die Frau hätte sich mehr Mühe geben müssen, um die Liebe ihrer Eltern zurückzugewinnen. – Oder hat Janis sich verliebt? Ist das ihr Geheimnis? Nach all dem, was sie mit Alexandros, dem Griechen, erlebt hat? – Farid hat seinen Gott gebeten, den richtigen Mann an ihre Seite zu stellen. In diesen wenigen Tagen hat Farid Janis ins Herz geschlossen. – Sie ist ein wundervoller Mensch. Ich will ihr ein guter Freund sein. – Sie bat ihn, von der Flucht zu erzählen. Und er tat es, obwohl er wusste, des Nachts würde ihn die Angst so sehr in Unruhe versetzen, dass sein Herz zu rasen anfängt. Es ist schwer, das Erlebte in Worte zu fassen. Was können Worte beschreiben? Was bedeutet es für den Zuhörenden, wenn sein Mund Worte formt wie: »Ich lief weiter und weiter, obwohl meine Beine schmerzten, als hätte man die Haut abgeschält.« Es gibt Zustände, die Worte nicht fassen können. Ist es möglich zu beschreiben, was an der Grenze zu Mazedonien geschehen ist? Oder im Jeep auf den Gebirgspfaden zwischen dem Iran und der Türkei? Plötzlich stand da einer mit dem Gewehr im Anschlag. Alle mussten aussteigen. Der Mann wählte sich ihn aus, ließ ihn niederknien und setzte den Lauf des Gewehres an seine Schläfe. In der anderen Hand hielt er eine Pistole auf die Mitfahrenden gerichtet. Was von Wert erschien, musste in den Jeep gelegt werden, dann gab er einige Pistolenschüsse ab, bis alle außer Farid davongelaufen waren. Er lachte ihm ins Gesicht und drückte ab. Der Bolzen flog ins Leere. Farid fiel wie tot zu Boden. Der Mann setzte sich in den Jeep und fuhr davon. Diesem Ereignis folgten schlimme Tage und Nächte in Kälte und Schnee. Von den fünf der Gruppe blieben zwei im Nirgendwo liegen. Warum er es durch die Berge geschafft hat? Er weiß es nicht. Zufall? Glück? Gottes Hilfe? Eigentlich hatte er sich als einen der körperlich Schwächsten der Gruppe eingeschätzt. Und doch ist er in Ostanatolien angekommen. Die schlimmsten Ereignisse hat er Janis nicht erzählt. Er hofft, die Erinnerungen verschwinden eines Tages. Gehört hat er davon, dass es in Europa nicht wenige Menschen gibt, die Flüchtlingen unterstellen, aus rein wirtschaftlichen Gründen und des materiellen Besitzes wegen ihre Heimat zu stürmen. Würde jemand ihm so etwas vorhalten, müsste er von den dramatischen Ereignissen während seiner Flucht erzählen. Kann jemand glauben, das alles nimmt ein Mensch nur wegen Europas Reichtümern auf sich? Was nützen Dinge, seien sie noch so schön und wertvoll, wenn du tot bist? Sein zu dürfen, an einem Ort des Friedens. Danach sehnt Farid sich. Der Schlüssel dreht sich im Schloss. Janis steht in der Türe.

©byChristine Erdic

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Firmeninformation
Die deutsche Buchautorin Christine Erdic lebt zur Zeit hauptsächlich in der Türkei.
Beruflich unterrichtet sie in der Türkei Deutsch für Schüler (Nachhilfe), sie gab
Sprachtraining an der Uni und machte Übersetzungen für türkische Zeitungen.
Mehr Infos unter Meine Bücher- und Koboldecke
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