Fr. Apr 19th, 2024

Es war ein schöner Sommertag und ich beschloss, einen Spaziergang durch unseren Garten zu machen. Dieser Garten mit seinen wild wachsenden Blumen und Sträuchern war das reinste Paradies für Vögel, Schmetterlinge, Insekten und Naturwesen aller Art. Hinten in einer Ecke befand sich mein kleiner Elfengarten, geschmückt mit einem Tongefäß voll frischem Quellwasser und einem selbstgebastelten Windspiel, das die Elfen anlocken sollte. Hin und wieder hatte ich wirklich schon welche gesehen, doch sie blieben selten lange an einem Ort.
Unter einer Blume im Elfengarten saß ein winziges Wesen mit heller Haut und blondem Haar, das bis zum Boden fiel. Es hatte den Kopf gesenkt und war von einem fast weißen Licht umgeben. Jetzt hob es den Kopf und sah mich aus großen blauen Augen an. Ich wusste, dass das keine Elfe war. Elfen hatten spitz zulaufende Ohren und dieses Wesen war irgendwie anders … zierlicher und von einer fast durchsichtigen Schönheit. Es musste eine Fee sein, aber es hatte keine Flügel. Ich war verwirrt.
„Hallo“, sagte ich vorsichtig.
„Hallo“, antwortete das Wesen und sah mich traurig an.
„Bist du eine Fee?“, fragte ich neugierig.
„Ja …“ Aus einem Auge rann eine Träne.
Ich wusste nicht, dass Feen weinen können und erschrak.
„Ich dachte immer, Feen hätten Flügel“, sagte ich zweifelnd.
„Das ist es ja…ich muss mir meine Flügel erst verdienen“, entgegnete die kleine Fee traurig. „Wir werden nicht einfach so mit Flügeln geboren. Erst wenn wir eine gute Tat vollbracht haben, wachsen uns welche. Ich habe schon alles Mögliche versucht. Aber immer wenn ich denke, ich habe etwas Gutes getan, dann zeigt es sich plötzlich, dass es etwas Schlechtes war.“ Die Kleine schluchzte laut auf. „Ich heiße übrigens Lavarisa.“
„Das ist aber ein schöner Name. Ich bin Axana. Es kann doch nicht so schwer sein, etwas Gutes zu tun, jemandem zu helfen vielleicht.“
„Doch, furchtbar schwer … Hör nur zu, was mir alles schon passiert ist. Vor ein paar Wochen nach eurer Zeit sah ich einen kleinen Jungen vor einem Regal stehen. Es war in einem Spielzeugladen und der Junge war schlecht angezogen. Er hatte kein Geld, um dort etwas zu kaufen. Er war so traurig und schaute immer auf ein kleines Spielzeugauto. Da nahm ich es und steckte es heimlich in seine Tasche. Aber es war nicht gut, obwohl ich ihm doch nur helfen wollte. Der Ladenbesitzer merkte etwas und der Junge hatte keine Ahnung, dass er das Auto in der Tasche hatte. Nur weil er noch so klein war, ließ der Mann ihn gehen.“
„Oje, da stand der arme Junge auch noch als Dieb da … nein, das war wirklich nicht in Ordnung, Lavarisa.“
„Siehst du! Und ein anderes Mal wollte ich einem kleinen Mädchen helfen, dass von zwei größeren Jungen festgehalten wurde. Ich biss den Jungen in die Beine, bis sie das Mädchen laufen ließen. Später erfuhr ich, dass das Mädchen dem einen Jungen die Geldbörse geklaut hatte.“
„Das konntest du doch aber nicht wissen, oder?“, fragte ich.
„Ich war zu voreilig, so etwas darf mir einfach nicht passieren“, klagte Lavarisa. „Dann wollte ich vorhin einer alten Frau mit ihren Blumen helfen. Sie war so traurig, dass die Blumen nicht wuchsen, sondern immer mickerig blieben. Als sie in der Stube war kletterte ich auf den Balkontisch und wollte die Blumen in den Kästen fragen, warum sie nicht wachsen. Aber ich stieß dabei mit dem Fuß gegen die Teekanne aus Porzellan, die auf dem Tisch stand und sie zerbrach auf dem Boden in viele kleine Stücke. Der heiße Tee lief über den Balkon. Ich versteckte mich und die alte Frau schimpfte mit der Katze. Und ich bekam wieder keine Flügel. Was ich auch mache, alles geht schief“, Lavarisa schniefte unglücklich.
So viel Pech konnte man doch nicht haben, oder? Da musste mir ganz schnell etwas einfallen. Aber was? Langsam wurde es spät und ich hatte Großmutter versprochen, ihr beim Spätzle machen zu helfen. Spätzle sind ein nudelartiges Teiggericht aus Schwaben und schmecken sehr lecker zu Gulasch. Also musste ich mich von der traurigen kleinen Fee verabschieden, nicht jedoch ohne ihr zu versprechen, mir etwas zu überlegen.
„Axana, die Zwillinge sind noch nicht zurück. Sie wollten in den Wald gehen und es wird schon dunkel“, Oma sah besorgt aus.
Max und Lily waren erst fünf Jahre alt, hatten es aber faustdick hinter den Ohren, vor allem Max. Er war für jeden Blödsinn zu haben. Der Wald war nicht gefährlich, aber im Dunkeln würden die beiden nicht zurückfinden. Da fiel mir etwas ein.
„Warte Oma, ich bin gleich wieder da!“, rief ich und rannte auch schon zur Tür hinaus in den Garten. Lavarisa saß noch immer an der gleichen Stelle und ich atmete erleichtert auf.
„Lavarisa, hör zu, ich habe eine Idee, wie du deine Flügel bekommen kannst.“
Lavarisa sah auf. „Wirklich?“
© Christine Erdic

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Britta Kummer ist Autorin. Sie schreibt Kinder-, Jugend- und Kochbücher, wurde in Hagen geboren und wohnt heute in Ennepetal. Inzwischen ist auch ein Buch zum Thema MS auf dem Markt.
Ihr Buch „Willkommen zu Hause, Amy” wurde im Januar 2016 mit dem Daisy Book Award ausgezeichnet. Der Kärntner Lesekreis „Lesefuchs“ vergibt in unregelmäßigen Abständen diese Auszeichnung für gute Kinder- und Jugendliteratur.
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Kummer

Von Kummer

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