Do. Mrz 28th, 2024

Berlin (ots) – Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) im Interview mit dem Nachrichtensender WELT zu den Beschlüssen des Bund-Länder-Gipfels.

Felicia Pochhammer, WELT Nachrichtensender: Als erstes möchte ich natürlich wissen, was halten Sie jetzt vom Ergebnis dieser Marathonsitzung? Sind Sie begeistert, enttäuscht, irgendwas dazwischen?

Robert Habeck: Der Tag gestern hat vor allem die Versäumnisse der Vergangenheit aufgedeckt. Ich möchte auch, dass wir mehr Freiheiten zurückbekommen, aber die sind natürlich daran gebunden, dass wir wissen, wo das Virus ist und wie schnell es sich ausbreitet. Wir testen zu wenig. Die Tests sind zu teuer. Sie sind nicht verfügbar und jetzt geht die Bundesregierung den zweiten Schritt vor dem ersten. Wir öffnen mitten im Anrollen einer dritten Welle und das hinterlässt zumindest ein mulmiges Gefühl bei mir. Ich finde, dass gestern kein guter Tag war.

Felicia Pochhammer: Sie sprechen es selber an, das Problem mit den Selbst- und Schnelltests. Eigentlich hat die Bundesregierung sie ja als Gamechanger angepriesen, nun heißt es, es wurden nicht genügend bestellt. Welche Erklärung haben sie dafür?

Robert Habeck: Im Grunde keine. Also, zum wiederholten Male macht die Bundesregierung den Fehler, wie bei den Masken, wie beim Impfstoff, sich nicht auf eine Situation vorzubereiten und das ja mit Ansage. Die Strategie kann ja nur sein, wir müssen testen, wir müssen dann schnell die Daten an die Gesundheitsämter weitergeben und wir müssen dann differenziert vorgehen. Außerdem müssen wir mehr und schneller impfen. Und dann kann man lockern. Jetzt lockern wir und hoffen, dass die Tests kommen. Das ist genau falsch herum eigentlich und jetzt können wir alle nur den Atem anhalten und hoffen, dass die anrollende dritte Welle uns nicht Ostern verhagelt und wir den Tag heute oder gestern bitter bereuen werden.

Felicia Pochhammer: Man reibt sich angesichts dessen ja schon so ein bisschen die Augen. Eigentlich dachte man ja immer, Deutschland, Organisation, das können wir eigentlich. Vielleicht verheddern sich die Protagonisten auch schon so ein bisschen im Wahlkampf-Geplänkel, kann das auch sein?

Robert Habeck: Nein, ich glaube, es ist sogar umgekehrt, Sie haben recht: Organisation können wir gut. Und wir organisieren uns hier gerade zu Tode oder das Wort nehme ich zurück, weil das nicht zynisch klingen soll in diesem Fall. Aber der Tag zeigt ja, was das Problem ist: Statt einfach die Tests zu bestellen, das hätte man schon vor Wochen machen müssen, einfach eine Abnahmegarantie geben und sagen, wir kaufen jetzt einfach Tests, was das Land hergibt, und wenn wir zu viele haben, was ja gar nicht zu befürchten ist, dann schenken wir sie halt Afrika. Statt also pragmatisch vorzugehen, gründen wir einen Arbeitskreis aus sieben Ministerien unter der Führung des Gesundheits- und des Verkehrsministeriums. Als ich das gehört habe, habe ich gedacht, jetzt bin ich in der Comedysendung gelandet, denn diese beiden Ministerien sind nun wahrlich nicht die Leistungsträger dieser Regierung. Was soll das? Und Ich glaube, der Grund ist, die Bundesregierung hat Angst, sie ist angstgetrieben, sie will es immer allen recht machen und dann geht sie auf die bürokratischen Sicherheitslinien zurück. Bürokratie ist aber das Falsche im Moment, sondern man muss pragmatisch, schnell und auch mal unorthodox kreativ vorgehen. Und dazu braucht man ein bisschen Mut. Und der hat die Regierung verlassen.

Felicia Pochhammer: Das gilt dann wahrscheinlich auch für das Thema impfen, für AstraZeneca-Impfstoff und Ähnliches?

Robert Habeck: Ich frage mich, wenn man nachmittags sieht, dass Termine nicht wahrgenommen worden oder noch Impfdosen da sind, warum guckt man nicht auf eine Liste der über 80-Jährigen im Umkreis von 30, 40 Kilometern und ruft die an? Irgendwelche Studierenden, die jetzt im Moment keinen Job haben, werden ja wohl in der Lage sein, dann zum Hörer zu greifen und zu sagen, wenn sie noch bis 20:00 Uhr kommen, werden Sie geimpft. Zum Beispiel einfach von morgens bis abends impfen wir können ja. Die terminvergabe machen, aber im Zweifelsfall mal pragmatisch vorgehen und sich nicht darauf zurückziehen und zu sagen, ja aber dann müssen wir unser Terminsystem wieder kompliziert aufstellen. Vielleicht mal einfach zum Hörer greifen. Warum bestellen wir nicht einfach die Schnelltests und dann gucken wir, wie viele wir übrighaben? Das ist doch viel besser, als zu wenig zu haben. Die Bundesregierung macht das, was sie eigentlich immer gemacht hat, dann haben wir das während der Corona-Pandemie im ersten Lockdown vergessen. Sie ist kompliziert, sie ist langsam, sie ist immer hinter der Welle, sie ist zu bürokratisch aufgestellt. Wir erleben im Grunde den Zustand der Bundesregierung vor Corona. Und alle erinnern sich an die Debatten, die wir da hatten, Klima usw., die waren müde, sie waren ausgelaugt, sie hatten keinen Drive mehr, sie hatten keinen Elan mehr, und das erleben wir jetzt einfach. mangelnde Führungsstärke.

Felicia Pochhammer: Auf kommunaler Ebene, muss man sagen, wird das ja teilweise gemacht, es gab ja doch einige Bürgermeisterinnen, Bürgermeister, die selber das Heft in die Hand genommen haben, die selber eigene Test-Strategien entwickelt haben und Ähnliches. Und die damit ja auch in dieser Pandemie sehr gut gefahren sind. Ist das vielleicht die Strategie der Zukunft, lasst es doch vielleicht einfach in den Händen derer, die vor Ort sind?

Robert Habeck: Nein, das könnte auch eine Bundeskanzlerin oder eine Bundesregierung, ein Gesundheitsminister machen. Aber sie haben recht, einige Kommunen, Rostock, Tübingen kann ich nennen, tun einfach das, was notwendig ist und fragen danach, wie das dann abgerechnet wird. Und das ist in so einer Notsituation das richtige Vorgehen, also mehr staatsfrauliche und -männliche Kreativität, würde ich sagen. Ein pragmatischer Umgang mit den Problemen und kein bürokratischer. Und das führt halt jetzt schon zum wiederholten Male dazu. Wir haben zu wenig Impfstoff, wir impfen zu wenig. Die Terminvergabe funktioniert nicht. Die Selbst- und die Schnelltests sollen kommen, noch hoffentlich kommen sie dann. Aber eine Strategie, die darauf beruht, dass wir darauf hoffen, ist keine Strategie. Hoffnung ist keine Strategie. Das ist ein ehrenwerter innerer Zustand, den wir brauchen, wir brauchen Hoffnung. Aber von Politik, die sich auf Hoffnung alleine verlässt, muss man eigentlich sagen, dass sie hier ihre Hausaufgaben nicht gemacht hat. Und das war der gestrige Tag.

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