Hamburg (ots) –
Kaum ein Produkt steht so sehr für regionale Vielfalt wie
Bier – rund 1.500 häufig inhabergeführte Brauereien gibt es hierzulande. Doch
die Branche ist unter Druck, etwa durch Übernahmen, die Corona-Krise und
gewandelte Konsumentenbedürfnisse. Wie sie sich darauf einstellen und wie sie
den Regionaltrend wahrnehmen, erklären die Chefs der Brauereien Alpirsbacher,
Aying, Barre, Distelhäuser und Meckatzer in der aktuellen Ausgabe des
‘markenartikel – Magazin für Markenführung’ (Heft 3/2021, ET: 4.3.).
Franz Inselkammer, Geschäftsführender Gesellschafter der
Brauerei Aying Franz Inselkammer KG, Aying, nimmt im Verhalten der Kunden
bewusstere Entscheidungen wahr: “Die Anzahl derjenigen, die bereit sind, unseren
Mehraufwand – denn auch das bedeutet echte Regionalität – wertzuschätzen, ist
größer geworden. Ich glaube, dass die familiengeführte Regionalbrauerei mit
hohem Qualitätsanspruch eine gute Zukunft vor sich hat. Bier gehört zu den
emotionalsten Erzeugnissen der Welt und profitiert von Authentizität und
Ehrlichkeit. Die internationalen Bierkonglomerate, denen die Tradition einer
Brauerei nur wichtig ist, wenn man damit Obiges vorzutäuschen versucht, kommen
da an uns nicht heran und müssen noch dazu Biere produzieren, die geschmacklich
den kleinsten gemeinsamen Nenner zu erfüllen haben.”
Auch Carl Glauner, Geschäftsführender Gesellschafter bei
Alpirsbacher Klosterbräu, Alpirsbach, hat beobachtet, dass sich die
Endverbraucher seit einigen Jahren spürbar sensibilisierter verhalten:
“Fragenstellungen wie zum Beispiel, wo unser Braumalz herkommt oder aus
welchen Regionen wir den Hopfen beziehen, sind spürbar gestiegen – der
Verbraucher möchte wissen, was aus welcher Region in die Bierflasche
kommt.”
“Herkunft, Herstellung und Nachhaltigkeit sind in den
letzten Jahren immer stärker bei Kaufentscheidungen miteinbezogen worden”,
bestätigt auch Christoph Barre, Geschäftsführenden Gesellschafter der
Privatbrauerei Ernst Barre GmbH, Lübbecke. “Das pandemiegeprägte Jahr 2020
hat einmal mehr die Rückbesinnung auf die Wurzeln gestärkt zugunsten der regionalen
Lebensmittel.” Zugleich räumt er ein: “Der schrumpfende Biermarkt ist
ohne Frage ein hart umkämpftes Pflaster, geprägt von einer aggressiven
Preispolitik und Marktverdrängung. Es steht zu befürchten, dass die
Konzentration in den nächsten Jahren in einem gewissen Maße weiter zunimmt.
Jedoch sind wir davon überzeugt, dass authentische Regionalmarken dem Druck der
Marktkonzentration standhalten können.”
Einen Umschwung registriert Christoph Ebers, Geschäftsführer der Distelhäuser Brauerei, Tauberbischofsheim – und zwar zum einen bei den Konsumenten, aber zum anderen auch im Handel und der Gastronomie. “Gerade Gastronomen, aber auch regionale Einzel- und Großhändler, bieten ihren Kunden vermehrt Produkte von regionalen Herstellern an und kennzeichnen diese auch deutlich. Dabei entstehen regionale Lieferketten und Partnerschaften, die für Hersteller, Händler, Konsumenten und die Umwelt große Vorteile bringen. Die
Konsumenten bevorzugen fast immer die regionale Alternative, wenn sie angeboten
wird. Dabei beobachten wir aber auch, dass das Werbeversprechen Regional immer
häufiger kritisch hinterfragt wird. Konzerne, die zum Beispiel kleine
Brauereien aufkaufen und dann versuchen, diese Marken als regional zu führen,
werden von dem Verbraucher meist abgestraft.”
Darauf, welche Emotionen das Thema Regionalität wachrufen
kann, verweist Michael Weiß, Geschäftsführender Gesellschafter der Meckatzer
Löwenbräu Benedikt Weiß KG, Heimenkirch. Das zeige unter anderem der Erfolg der Brauerei außerhalb der
Stammregion Allgäu-Bodensee-Oberschwaben, zum Beispiel im Großraum
Stuttgart oder auch in Berlin. “Dort sehnen sich die Menschen nach der
Urlaubsheimat Allgäu und manche von ihnen nach ‘ihrem’ Meckatzer.” Dass
die Rückbesinnung auf gute, authentische Marken aus der Region keine
kurzfristige Modeerscheinung ist, sondern vielmehr ein längerfristiger Trend, davon ist der Meckatzer-Chef überzeugt. “Das gestiegene
Selbstbewusstsein vieler Kollegen zeigt sich auch in einer Preispolitik, die
sicherstellt, dass die naturgegeben deutlich höheren Herstellkosten durch die
entsprechenden Abgabepreise kompensiert werden. Die von so manch großem
Markteilnehmer erhoffte Marktbereinigung findet somit nicht statt – im
Gegenteil: Gewachsen sind in den vergangenen Jahren vor allem gut geführte
Familienbrauereien. Und dieser Trend wird meines Erachtens noch einige Zeit
anhalten.”