Mi. Aug 21st, 2024

Düsseldorf (ots) –

Manipulierte Abrechnungen, gefälschte Rezepte oder Behandlungen, die nur auf dem Papier stattfanden – die Gesundheitsbranche kämpft immer stärker mit Wirtschaftskriminalität in Form von Abrechnungsbetrug. Sowohl die Zahl der aufgedeckten Betrugsdelikte als auch die Schadenshöhe, mit der die gesetzlichen und privaten Krankenversicherungen umgehen müssen, ist in den vergangenen Jahren enorm gestiegen. So berichten 53 Prozent der gesetzlichen Krankenkassen von mindestens 100 Betrugsfällen aus dem vergangenen Jahr mit einem Gesamtschaden von überwiegend (48 Prozent) mehr als 500.000 Euro. Zum Vergleich: Im Jahr 2012 meldete die Mehrheit (64 Prozent) lediglich bis zu zehn Betrugsdelikte, wobei 54 Prozent über Schäden von maximal 50.000 Euro berichteten.

Noch stärker betroffen sind die privaten Krankenversicherungen: 76 Prozent von ihnen sind im vergangenen Jahr Gesamtschäden von mehr als 500.000 Euro entstanden (2012: 50 Prozent). Das sind zentrale Ergebnisse einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC zum Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen, bei der sich 19 gesetzliche und 13 private Krankenversicherungen beteiligt haben. Die Untersuchung knüpft an eine Vorgänger-Umfrage aus dem Jahr 2012 an und ermöglicht damit den direkten Vergleich zu einem Themenbereich, zu dem es bislang wenig verlässliches Zahlenmaterial gibt.

84 Prozent bestätigen: Die Dunkelziffer beim Abrechnungsbetrug ist hoch

“Die große Zahl der aufgedeckten Betrugsfälle und die hohen Schadenssummen sind aus unserer Sicht darauf zurückzuführen, dass es den Krankenversicherungen heute weit besser als 2012 gelingt, Betrügereien aufzuklären. Da aber auch das Dunkelfeld weiter angestiegen ist, können sich die Krankenversicherer auf diesem Erfolg nicht ausruhen”, sagt Gunter Lescher, Partner im Bereich Forensic Services bei PwC Deutschland. Gleichzeitig ist aber auch von einer steigenden Anzahl nicht entdeckter Straftaten auszugehen: Die Dunkelziffer bewerten sowohl die gesetzlichen (GKV) als auch die privaten Krankenversicherungen (PKV) mit jeweils 84 Prozent als hoch oder sehr hoch (2012: 63 Prozent GKV, 62 Prozent PKV).

Abrechnungsbetrug hat für das deutsche Gesundheitswesen ernste Folgen: Neben dem wirtschaftlichen Schaden in Milliardenhöhe, der den Krankenversicherungen entsteht, belasten die Betrügereien das Vertrauen der Patienten in die Gesundheitsversorgung, verteuern die Kosten von medizinischen Leistungen und verzerren den Wettbewerb. Bei der Ahndung von Abrechnungsbetrug setzen die Krankenversicherungen vor allem auf Regressforderungen. Den Erfolg von Strafanzeigen hingegen bewerten die Studienteilnehmer als vergleichsweise begrenzt.

Die COVID-19-Pandemie kann zum “Brandbeschleuniger” werden

Durch die aktuelle COVID-19-Pandemie könnte sich das Problem weiter verschärfen. “Wir gehen davon aus, dass COVID-19 sich zu einer Art Brandbeschleuniger entwickeln wird und den Abrechnungsbetrug noch weiter anheizt”, sagt Lescher. Die Pandemie setzt den normalen Geschäftsbetrieb in vielen Einrichtungen des Gesundheitswesens außer Kraft, gleichzeitig ist der finanzielle Druck sowohl aufseiten der Versicherten als auch aufseiten der Leistungserbringer deutlich gestiegen. Hinzu kommt: Die technischen Möglichkeiten, Nachweise für Betrügereien zu fälschen, etwa durch Bildbearbeitung, sind gestiegen. “Digitale Technologien erweisen sich damit als Fluch und Segen zugleich, denn sie erleichtern Prävention und Aufklärung, ermöglichen vielfach aber auch erst den Betrug”, so Lescher.

Bei der GKV stammen die Täter überwiegend aus dem Pflegebereich, bei der PKV aus dem Umfeld der Versicherten

Wer wird zum Täter und begeht Abrechnungsbetrug im Gesundheitswesen? Es gibt zwei Haupttätergruppen, die sich eindeutig identifizieren lassen: Bei den gesetzlichen Krankenkassen stammen die Täter ähnlich wie bei der Vergleichsbefragung 2012 vor allem aus dem Umfeld der Pflege (Pflegedienst: 95 Prozent, häuslicher Krankenpfleger: 68 Prozent), während es bei den privaten Krankenversicherungen die Versicherten selbst sind, die in Abrechnungsdelikte involviert sind (100 Prozent). Privat Versicherte haben leichter die Chance dazu, weil sie die meisten Leistungen direkt mit ihrer Krankenversicherung abrechnen. Überraschend ist, dass aus Sicht der Krankenversicherungen Kliniken nur eine untergeordnete Rolle beim Thema Betrug spielen, obwohl stationäre Leistungen mit rund 30 Prozent einen der größten Kostenblöcke darstellen.

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Laura Jahn

Von Laura

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