Im Einzelfall kann die Verhinderung eines Betriebsratsmitglieds auch dann gegeben sein, wenn das betroffene Betriebsratsmitglied in seiner Stellung als Arbeitnehmer im Betrieb unabkömmlich ist. Nur wenn Anhaltspunkte für eine pflichtwidrige Entscheidung des jeweiligen Betriebsratsmitglieds vorliegen, kann Veranlassung bestehen, den angegebenen Hintergrund nachzuprüfen und gegebenenfalls von einer Ladung eines Ersatzmitgliedes zu verzichten.
LAG Hamm vom 08.12.2017 Az. 13 TaBV 72/17, rechtskräftig
Im entschiedenen Fall hatte der Betriebsrat die Teilnahme an Schulungen beschlossen. Der Arbeitgeber lehnt die Kostenübernahme ab. Im nachfolgenden Beschlussverfahren vor der Arbeitsgerichtsbarkeit scheiterte der Betriebsrat, da kein wirksamer Betriebsratsbeschluss für die Entsendung vorlag. Der Betriebsratsvorsitzende hatte nämlich die Ladung von im Betrieb anwesenden Ersatzmitgliedern unterlassen, nachdem ihm zwei ordentliche Betriebsratsmitglieder vor der Betriebsratssitzung telefonisch mitgeteilt hatten, dass sie wegen erhöhten Arbeitsaufkommens nicht kommen könnten.
Informiert das Betriebsratsmitglied über seine Abwesenheit, muss der/die Betriebsratsvorsitzende, darlegen, welche konkreten Anhaltspunkte für ein pflichtwidriges Fernbleiben des ordentlichen Mitgliedes vorgelegen haben, die dazu veranlassen, die kurzfristige (mögliche) Ladung vorhandener Ersatzmitglieder nicht durchzuführen. Sind derartige Ansatzpunkte nicht vorhanden oder können sie nicht nachgewiesen werden, ist immer ein Ersatzmitglied zu laden. Erfolgt dies nicht, ist der Beschluss unwirksam.
Diese Entscheidung ist besonders für Betriebsrats-/ Personalratsvorsitzende und ihre Stellvertreter*innen wichtig. Es geht um die Frage, wann ein Ersatzmitglied zu einer Betriebs oder Personalratssitzung einzuladen ist, wenn das ordentliche Mitglied im Betrieb / in der Dienststelle ist und arbeitet.
Es besteht der Grundsatz, dass die Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben / Personalratsaufgaben bei Anwesenheit Vorrang hat. Dennoch gibt es immer wieder Betriebsrats- und Personalratsmitglieder, die sich – kurzfristig – aufgrund ihrer Inanspruchnahme am Arbeitsplatz abmelden (müssen). Das BAG vertritt hierzu die Meinung, dass betroffene Betriebsratsmitglieder eigenverantwortlich zu entscheiden hätten, welche Pflicht vorrangig sei (BAG vom 15.04.2014 – 1 ABR 2/13).
Im Einzelfall kann es also sein, dass ein ordentliches Betriebsrats-/ Personalratsmitglied wegen Wahrnehmung seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtungen tatsächlich als verhindert anzusehen ist. Dann hätte der/die Vorsitzende ein Ersatzmitglied zur Sitzung einzuladen.
Ist eine Verhinderung aber tatsächlich nicht gegeben, wäre die Ladung eines Ersatzmitgliedes mangels Verhinderung des ordentlichen Mitgliedes unzulässig.
Die Konsequenz einer falschen Entscheidung ist schlimmstenfalls die Unwirksamkeit des Beschlusses. Dies kann fatale Folgen haben, da die Arbeitgeber in einem Beschlussverfahren inzwischen standardgemäß die Beschlussfassung des Betriebsrates rügen.
Fazit:
Für die Praxis wird daher vorgeschlagen, in der Geschäftsordnung eine Regelung zum Nachweis der Verhinderung der Betriebsratsmitglieder zu treffen. Die Verhinderung muss immer so begründet werden, dass für den/die Vorsitzende eindeutig ist, dass das ordentliche Mitglied im Falle seiner Anwesenheit am Arbeitsplatz seine Pflichtenkollision gesehen hat und sich ausnahmsweise für die Arbeitspflicht entschieden hat. Es empfiehlt sich die Erstellung eines Formblatts, das auch die klassischen Abwesenheitsgründe wie z.B. Urlaub und Krankheit erfasst und vom verhinderten Betriebsratsmitglied einzureichen und zur Sitzungsniederschrift zu nehmen ist.
Im Zweifel hat die Ladung von Ersatzmitgliedern zu erfolgen.
Weiterhin kann der/die Vorsitzende in der Betriebsrats-/ Personalratssitzung über die Beschlüsse zweimal abstimmen lassen, nämlich einmal ohne das Ersatzmitglied und einmal in Anwesenheit des ordnungsgemäß geladenen Ersatzmitgliedes. In der Praxis wird sich diese Vorgehensweise nur für wichtige Beschlüsse, wie z.B.im Moment in Verbindung mit Wahlanfechtungen oder bei Widersprüchen gegen Kündigungen, eignen.
Sollte das Betriebsrats-/ Personalratsmitglied, das ausnahmsweise wegen seiner Arbeitsleistung im Betrieb an der Betriebsrats-/ Personalratssitzung nicht teilnimmt, dies dem Betriebsrats-/ Personalratsvorsitzenden gar nicht oder erst so kurzfristig mitteilen, dass ein Ersatzmitglied nicht mehr geladen werden kann, ist dies im Sitzungsprotokoll festzuhalten.
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