Mo. Okt 7th, 2024

Was gefällt Ihnen besondere an dieser Gedichtform?
Für mich ist ein Haiku das Große im Kleinen. Mir gefällt, dass es in seiner besonderen, lyrischen Form eine bestimmte Stimmung ausdrückt und dem Leser viel Spielraum für eigene Interpretationen lässt. Ich vergleiche es mit einem Kunstwerk; wenn man sich dieses ansieht, kann man nur ahnen, was der Maler sich dabei gedacht hat.

Welche Aufgabe hat ein Gedicht in Ihren Augen?
Meine Gedichte sollen die Essenz des Lebens wiederspiegeln. In „Atmende Bilder“ zeigt uns Susana Ferreira mit ihren Fotos das facettenreiche Leben in den unterschiedlichsten Ländern und das auch unter Umständen mit seiner ganzen Härte. In meinen Haiku- und Senryū-Gedichten möchte ich meine Interpretationen ihrer Bilder mit Blick auf das Leben darstellen. Während ein Haiku eine naturbezogene Wahrnehmung darstellt, befasst sich das Senryū mit dem Gefühlsbestimmten und Persönlichen.

Warum sollten sich Leser mit Lyrik beschäftigen?
Das Lesen und die Interpretationsversuche stärken die Wahrnehmungsfähigkeit des Lesers. Die konzentrierte Beschäftigung mit den Zeilen regt das Bewusstsein und das Denken an. Haiku kann in seiner besonderen Weise Aufschluss darüber geben, was genau Sprache ist. Dabei ist das Auseinandersetzten und Hinterfragen von Bedeutung.

Es fällt auf, dass Sie sich oft mit ernsten Themen beschäftigen. Die Haiku in Ihrem Erstlingswerk „Zeigerloser Weg“ stimmen eher traurig. Hier haben Sie sich mit den oftmals schwierigen Lagen der Frauen beschäftigt. Im Buch „Atmende Bilder“ scheuen Sie nicht davor, die Armut auf unserer Welt zu thematisieren. Was bewegt Sie dazu? Wie haben Sie die Auswahl der Fotos von Susana Ferreia getroffen?
Ich verschließe ungern die Augen vor Tatsachen, selbst wenn sie traurig stimmen. Beim Schreiben werde ich von dem Wunsch begleitet auf wichtige Dinge aufmerksam zu machen. Die Rolle der Frau hat mich schon früh beschäftigt und es ist immer wieder ein Thema für mich. Das ist auch der Grund, warum ich mich sehr gern an meine Herausgeberin Karin Pfolz vom Karina Verlag gewandt habe. Ihre wichtige Initiative „Respekt für Dich“ verdient jede Unterstützung. Ich habe das Gefühl, dass ich mit meinen Arbeiten einer guten Sache diene und damit einen Beitrag leiste. Auf die schlechten Seiten des Lebens kann nicht genug aufmerksam gemacht werden und dafür sorgt Karin Pfolz durch ihr Wirken.
Die ausgewählten Bilder haben bei mir einen besonderen Eindruck hinterlassen, so dass sie schon nach kurzer Zeit anfingen in meinem Kopf zu arbeiten.

Welche Persönlichkeiten beschreiben Sie in Ihrem Buch „Zeigerloser Weg“ und warum gerade diese Frauen?
In einer Welt, in der Männer dominierten, mussten die Frauen sich fügen. Ansonsten verloren sie das Spiel. Božena Němcová, eine tschechische Schriftstellerin, schrieb: „Meinem Mann gefällt es nicht, dass ich mich so ganz der Schriftstellerei widme. Er sähe mich lieber als virtuose Hausfrau, ich begreife, dass wir dann glücklicher wären.“ Genauso wie Božena Němcová führte auch Clara Schumann eine eingeengte Ehe. Sie war eine exzellente Pianistin und Komponistin. Während ihrer Ehe mit Robert Schumann war es ihr nicht möglich, sich ernsthaft mit der Musik auseinandersetzen zu können. So verstrichen viele Jahre ungenutzt dahin. Sie sagte „Die größte Annehmlichkeit ist noch die, dass ich mein Studierzimmer im zweiten Stock habe, wo Robert nichts hören kann. Zum ersten Mal nach unserer Verheiratung treffen wir es so glücklich“. Es ist eindrucksvoll was Frauen schaffen, wenn man sie lässt.

Wo findet man speziell die Kehrseite des Lebens in Ihrem Buch „Atmende Bilder“?
Es gibt zum Beispiel ein Doppelportrait von zwei afrikanischen Jungen. Während der hintere Junge sich lächelnd und aufgeschlossen der Kamera zuwendet, kann man den Augen des vorderen Jungen Misstrauen und eine Verstimmtheit entnehmen. Dieser Blick spricht Bände. Dann gibt es eine Abbildung von einer südamerikanischen Frau, der die Härte ihres Lebens ins Gesicht geschrieben steht. Susana Ferreira hat in ihren meisterhaften Aufnahmen die Gesichter der Armut festgehalten und zählte im Jahr 2008 zu den Gewinnerinnen des vom Rotary Club Leiria organisierten Fotowettbewerbs „Gesichter der Armut“. Es gibt aber trotz äußeren Wohlstands auch die innere Armut. Wenn eine Frau nachdenklich vor einem wunderschönen Panorama, bestehend aus einem vom Blütenmeer umkreisten See, sitzt und Zwiegespräche im Kopf führt. Ich verstehe unter innere Armut, dass etwas Wichtiges im Leben fehlt. Ich wünsche mir, dass der Leser beim Lesen dieser Seiten auf Selbsterkenntnisse oder neue Erkenntnisse stößt. „Atmende Bilder“ ist eine lyrische Begegnung mit stillstehenden Atemzügen geworden.

Von Beruf sind Sie Bilanzbuchhalterin. Sehen Sie hier eine Verbindung zum Haiku-Schreiben?
Wenn ich über eine Verbindung zwischen Haiku-Schreiben und meinem Beruf nachdenke, komme ich auf die Idee, dass die Arbeit im Bereich der Buchhaltung im Wesentlichen mit dem Zahlenwerk eines Unternehmens bzw. dem Einhalten von Regeln zu tun hat. Eine direkte Verbindung sehe ich allerdings nicht.

Neben Ihrem Beruf sind Sie auch Mutter. Woher nehmen Sie die Energie?
Das Schreiben ist für mich vergleichbar mit einem Spaziergang in meiner Freizeit, nur eben in Gedanken. Darüber hinaus lese ich viel. Es gibt Phasen, in denen ich mehr schreibe als lese und andersherum. Es ist herrlich in fremde Welten abzutauchen. Manchmal bringen Bücher Erkenntnisse und vermitteln ein Stück Geschichte oder sie unterhalten mich auch bloß. Hier finde ich den Ausgleich zum routinierten Alltag.

Buch Atmende Bilder
Es gibt drei Zeilen und siebzehn Silben, die enthüllende Momente zeigen.
Dieses facettenreiche Buch enthält erstaunliche Bilder der portugiesischen Fotografin Susana Ferreira. In diesen Aufnahmen erkennt man ihre Leidenschaft zur Fotografie und ihre Sehnsucht ins Weite. Auf ihren Reisen besuchte sie Orte von großer Schönheit und solche, die viele ni

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Kummer

Von Kummer

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