Regensburg (ots) – Seit Beginn der weltweiten Corona-Pandemie vor über einem Jahr war die Aussicht auf eine Schutzimpfung das Licht am Ende des Tunnels. Je länger das Virus wütete und je mehr Zeit zum Forschen und Testen genutzt werden konnte, desto heller leuchtete es. Impfstoffe wurden entwickelt, geprüft und zugelassen. Einige Länder begannen früh mit den Impfungen. In Deutschland wurden vor Weihnachten Impfzentren aus dem Boden gestampft. Nun ist es bald so weit, dachte man. Wenigstens unsere lieben Alten, um deren Gesundheit wir uns ein Jahr lang permanent kümmerten und sorgten, würden in absehbarer Zeit in Sicherheit sein. Diese Hoffnung wird gerade auf eine Weise enttäuscht, die nicht zu rechtfertigen ist. Jeder und jede, die einer besonders verletzlichen Gruppe angehört – und dazu zählen natürlich nicht nur die Seniorinnen und Senioren – und das Pech hat, sich jetzt mit Sars-CoV-2 anzustecken, darf fragen: Warum wurde ausgerechnet ich noch nicht geimpft? Die Zeit vor der Verfügbarkeit mehrerer wirksamer Impfstoffe und die Zeit danach unterscheiden sich vor allem in einem: Nun ist es nicht mehr nur Schicksal oder allgemeines Risiko, ein Opfer des potenziell tödlichen Virus zu werden. Es ist mittlerweile auch eine Schuldfrage. Die hierzulande im Moment verfügbaren Impfstoffmengen reichen nicht einmal dafür aus, die stark Gefährdeten zügig zu schützen (von der Normalbevölkerung, deren wirtschaftliche Existenz und seelische Gesundheit ebenso im Feuer steht, ganz zu schweigen). Das hätte, nach allem, was bekannt ist, nicht in diesem Ausmaß sein müssen. Der Verantwortung für diese Engpässe müssen sich alle stellen, die mitmischen: die Politik auf nationaler und europäischer Ebene, die besser vorausschauen und intelligenter verhandeln hätte können. Aber auch Pharmafirmen, die aufs Kleingedruckte pochen. Allen Beteiligten muss bewusst sein, dass ihre Handlungen Auswirkungen auf Leben und Tod einzelner Menschen haben. Es macht nicht den Anschein, als agierten sie dementsprechend. Das Virus treibt alle vor sich her, Ausgang und Dauer der Pandemie sind immer noch ungewiss. Damit haben wir uns irgendwie arrangiert. Aber mit dem Gezerre rund ums Impfen kann sich keiner arrangieren. Man kommt sich vor wie ein Hund, dem eine Wurst hingestreckt wird, aber wenn er zuschnappen will, wird sie weggezogen. Der Hund wird vielleicht irgendwann in die Hand, die ihn nicht füttert, beißen. Und der Mensch? Nach wochenlangem Lockdown und verordneter Untätigkeit wird der Unmut immer größer werden. Die Tücke von Erwartungen liegt ja gerade darin, dass sie umso höher ausfallen, je schlechter und unausgeglichener – man kann auch sagen unglücklicher – Menschen in der aktuellen Situation sind. Deren Erwartungen zu enttäuschen, wird sich rächen. Und da hilft auch nicht der ewige Hinweis darauf, dass man ja immer gesagt habe, die Impfungen würden sich hinziehen. Andererseits sei zugegeben: Mit dem Hoffen auf Impfung machten wir uns freilich abhängig – von der Willkür der Zuteilung, von den Weichenstellungen der Politik, von der Forschungsarbeit an Universitäten und bei Pharmakonzernen, von Produktionskapazitäten und internationalem Wettbewerb. Wie schmerzhaft sich das anfühlt, diesem Hoffen ausgeliefert zu sein, spüren wir jetzt. Möglicherweise wäre eine No- oder eine Zero-Covid-Strategie sogar erträglicher gewesen – und effektiver. Bei all dem befinden wir uns in Deutschland immer noch auf der Insel der Seligen. In armen Ländern wird es so schnell keinen Impfstoff und auch sonst wenig Perspektive geben. Auch hier bewahrheitet sich erneut: Vor dem Virus sind nicht alle gleich.
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