Auszug:
Im gesamten Haus herrschte Finsternis. Keine normale Dunkelheit, sondern eine Schwärze, die nicht einmal dem geschultesten Augen ermöglichte, auch nur einen Umriss zu erkennen. Nur ein einziger, winziger Lichtstrahl blinzelte auf eine tiefrote Rose, die in der Mitte eines riesigen Raumes auf dem Parkett lag. Die Blume hatte ihre zarten Tage bereits lange hinter sich, denn all ihre Frische hatte sie verlassen und ihr einstiger Glanz versteckte sich unter einer Schicht aus Staub.
Anna ging den Weg durch den Wald, wie jeden Abend. Es war ihr vollkommen egal, ob die Nacht bereits hereingebrochen war, oder nicht, denn sie kannte jeden Stein hier auswendig. Der Gedanke, dass sie vielleicht Angst haben könnte, vor etwas Unbekannten, oder der Finsternis kam ihr nie. Selbst die Geräusche von knacksenden Ästen, oder der Wind in den Blättern der Bäume verunsicherten sie nicht. Für Anna war das einfach alles normal. Bereits als Kleinkind trappelte sie hier neben ihrer Mutter. Jetzt, nachdem sie nach Mutters Verschwinden die Arbeitsstelle von ihr im Haus des Notars übernommen hatte, ging sie eben alleine.
Das Haus, in dem sie lebte, war nur mit dem Notwendigsten ausgestattet. Für Luxus reichte ihr mageres Gehalt nicht aus. Doch sie war zufrieden, denn für sie war die Natur ihr Zuhause. Sie fühlte sich wohl hier, inmitten der Bäume und der Einsamkeit des Weges. Niemals eilte sie, sondern verweilte sogar oft an der kleinen Lichtung, die ziemlich in der Mitte der Strecke lag, denn hier wuchs ein wilder Rosenbusch. Ein umgestürzter Baum diente als Sitzgelegenheit und der Duft der roten Rosen durchströmte die Luft. Anna liebte diesen Geruch und die Farbe der Blüten. In der warmen Jahreszeit, wenn der Busch all seine Äste mit Blüten bestückte, dann nahm sie sich einen kleinen Strauß Rosen mit in ihr Häuschen.
Annas Arbeit war leicht, denn der Notar hielt sich kaum in diesem Haus auf. Höchstens zweimal in Jahr besuchte er sein Anwesen, blieb jedoch kaum eine Stunde, denn länger hielt der diese Ruhe nicht aus. So beschränkte sich Annas Arbeit auf Staubwischen und Gartenpflege. Doch niemals nutzte sie die Leichtgläubigkeit ihres Chefs aus. Täglich erschien sie um acht Uhr morgens und verließ das Haus um sechzehn Uhr. Montag bis Freitag. Auf Anna war Verlass. Nach Anna konnte man die Uhr stellen.
Für die Bewohner, des naheliegenden Dorfes war sie nicht vorhanden. Also, eigentlich schon, aber man schwieg sich aus. Denn Anna war anders …
© Karin Pfolz
In diesem Buch erwartet Sie:
Spannendes und Geheimnisvolles, Böses und Fesselndes – geschrieben von bekannten AutorInnen der ganzen Welt – finden sich in diesem Buch.
Der Blutmond scheint und lässt die Worte der Mutter zur Wahrheit werden. Ein Spiegel als Zeuge eines Verbrechens und ein tödlicher Rufmord für jeden, der alleine stirbt. Ein Protagonist, der einer Autorin das Fürchten lehrt und ein Schutzengel in Menschengestalt, treffen sich zum Leichenschmaus.
Thriller und Krimis, die trotz der Kürze die Leser zu schlaflosen Nächten zwingen.
Der Erlös aus dieser Anthologie fließt an “GewaltfreiLeben”.
ISBN: 978-3-903056-36-7
Seiten: 284
Erscheinungstag: 05.05.2015
Mehr Infos: http://www.karinaverlag.at/products/thriller-und-kriminelles-jedes-wort-ein-atemzug1/