Die Sperrung der Social-Media-Accounts des scheidenden amerikanischen Präsidenten hat die grundsätzliche Frage nach der Macht und der Verantwortung der Plattformen aufgeworfen. Dazu nehmen der Medienrechtler Professor Dr. Karl-Nikolaus Peifer und Medienkulturwissenschaftler Professor Dr. Stephan Packard von der Uni Köln Stellung
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Die Sperrungen der Accounts des US-Präsidenten Trump nach den Ausschreitungen rund um das Kapitol in Washington, D.C., haben eine Diskussion über die Verantwortung aber auch die Macht von Social-Media-Plattformen ausgelöst. Dürfen Plattformen Nutzer überhaupt sperren? Und wenn ja, unter welchen Umständen? Hätte die Sperrung Trumps schon viel früher erfolgen sollen? Ist die Macht der Plattformen zu groß?
Dazu äußern sich der Jurist und Direktor des Instituts für Medienrecht und Kommunikationsrecht der Universität zu Köln, Karl-Nikolaus Peifer, und Stephan Packard, Professor für Medienkulturwissenschaft an der Universität zu Köln, der unter anderem zu Propaganda, Zensur und Überwachung in neuesten Medien forscht.
Professor Dr. Karl-Nikolaus Peifer:
„Juristisch gesehen dürfen die Plattformbetreiber nach den heute in der Europäischen Union und den USA geltenden Regeln die Nutzung der Plattform, aber auch den gesamten Account sperren, wenn und soweit sie sich diese Maßnahme in ihren Nutzungsbedingungen (den „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“) vorbehalten haben. Die Nutzungsvereinbarung ist eine Art Vertrag, dessen Konditionen formal einverständlich akzeptiert, tatsächlich aber durch den Plattformbetreiber, also eine Art Hausrechtsinhaber, vorgegeben und technisch durchgesetzt werden. Die Sperrung des Accounts @realDonaldTrump ist in den Nutzungsbedingungen von Twitter ermöglicht worden. Juristisch lässt sich dagegen unmittelbar nichts einwenden, aber auch nichts tun. Der Umstand, dass Trumps Äußerungsfreiheit hier beeinträchtigt ist, spielt in den USA deswegen keine Rolle, weil die Einschränkung von Äußerungsfreiheiten in den USA nur problematisch ist, wenn sie durch den Staat durchgeführt wird, nicht aber, wenn private Unternehmen sie zu verantworten haben. In Deutschland wäre dies anders. Hier müssen auch Unternehmen grundrechtliche Wertungen beachten. Die Vertragsbedingungen der Provider müssen mit dem Prinzip der Äußerungsfreiheit konform sein. Daher musste das Unternehmen Facebook bereits mehrfach gesperrte Äußerungen auf Nutzerprofilen wieder freigeben.
Die Frage, ob man den Account von Trump schon viel früher hätte sperren müssen, drängt sich auf. Nach den Nutzungsbedingungen von Twitter wäre auch das möglich gewesen. Private Unternehmen handeln jedoch vor allem nach betriebswirtschaftlichen Erwägungen. Dem amtierenden Präsidenten den Account zu schließen, hätte den Datenfluss auf der Plattform und die damit erzielte Sammlung von Datenspuren durchaus spürbar beeinträchtigt. Ein privates Unternehmen, das von diesen Datenflüssen wirtschaftlich profitiert, wird sich einen solchen Schritt gut überlegen.
An dieser Stelle zeigen sich die juristisch noch ungelösten, aber gesellschaftspolitisch zu diskutierenden Fragen: Sollten Unternehmen nach selbstgesetzten Regeln Entscheidungen treffen können, die für die Kommunikation von großer Bedeutung sind – seien es Sperrungen oder Öffnungen? Sollten die Verträge, die man mit solchen Plattformen schließt, unkontrolliert sein? Sollte schon die wirtschaftliche Macht dafür sorgen, dass Plattformbetreiber nach vorhersehbaren Regeln operieren müssen, die auch eine Art Rechtsmittel für gesperrte Nutzer vorsehen? Sollten die Plattformbetreiber ihrerseits Verhaltensstandards befolgen müssen, die auch für den Berufsjournalismus gelten: Vielfaltsgewährleistung, Recherchepflichten, Mäßigungsgebote, Beschwerdemechanismen? Alle diese Fragen sind zu bejahen, wenn man zu der Einschätzung kommt, dass Plattformbetreiber nicht nur technische Hilfen für die Kommunikation bereitstellen, sondern dass sie ihrerseits wesentliche Funktionen des gesellschaftlichen Diskurses steuern. Ob dies so ist, ist eher eine medienwissenschaftliche als eine juristische Frage. Ihre Antwort ist für die juristische Entscheidung aber von größter Bedeutung.“