Mo. Okt 7th, 2024

Land und Leute machen es der Autorin leicht, sich schnell in der Türkei daheim zu fühlen. Doch irgendwie ticken die Uhren hier anders …

 

Endstation Anatolien

Auswandern? Mit fast vierzig Jahren und zwei schulpflichtigen Töchtern? Und noch dazu in den Orient? Christine Erdic hat es gewagt! Das Morgenland lockt mit bunten Basaren, leuchtenden Farben, einem unvergleichlich blauen Himmel und geheimnisvollen mondbeschienenen Nächten. Doch wie ist das wirkliche Leben hinter dem Schleier der Illusionen? Ein Buch, das das Leben schrieb!

ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3752897111

 

Leseprobe aus dem Buch

Zu Besuch in der alten Heimat

Im Dezember 2005 flog ich zum ersten Mal wieder nach Deutschland, um meine Mutter, Verwandte und Freunde zu besuchen.

Bei der Passkontrolle lächelte der Beamte und fragte: „Verwandtenbesuch in der Heimat?“ Ich bejahte, und er wünschte mir eine gute Reise.

Mit gemischten Gefühlen saß ich dann im Flieger. Wie würde es wohl dort sein nach all den Jahren?

Wo Türken sind, ist Unterhaltung angesagt, und so wurde ich schon nach kurzer Zeit in Gespräche meiner Sitznachbarn verwickelt. Es war ein Nachtflug, doch ich konnte weder in Bussen noch in Flugzeugen schlafen, so war ich froh über die Ablenkung. Bei der Kontrolle in Hannover nahm ein unfreundlicher Beamter meinen Pass entgegen, ohne aufzusehen. „Da hätte ich ja direkt wen anders an meiner Stelle schicken können“, dachte ich verblüfft, als ich die Papiere wieder entgegennahm. Schon in der Flugzeughalle in Hannover fielen mir all die blassen Gesichter auf. Ich musste mich erst wieder daran gewöhnen, dass hier die Frauen weniger stark geschminkt waren. Zudem befanden wir uns im Dezember, in Izmir waren die Menschen noch sonnengebräunt vom warmen Herbst. In milden Wintern konnte ich manchmal bis Weihnachten mittags auf der Südterrasse sitzen. Ungemütlich wurde es in der Regel erst ab Januar.

In Hannover wartete schon ein Taxi, das meine Mutter bestellt hatte. Überrascht stellte ich fest, dass der Fahrer Türke war. Wir fuhren durch verlassene Straßen. Schon bald kannte ich seine Lebensgeschichte: Auch er hatte zwei Töchter, die jedoch noch klein waren. Er freute sich, dass ich in der „ach so schönen Stadt Izmir“ wohnte. Nein, er käme nicht aus Izmir, aber von der Schwarzmeerküste, die auch sehr sehenswert sei. Als wir unser Ziel erreicht hatten, schaute ich auf das Taxameter und zückte mein Portemonnaie. „Weißt du was, abla – ältere Schwester, gib mir zwanzig Euro, das ist genug!“ Damit hatte er mir drei Euro geschenkt. Lächelnd drückte ich ihm fünfundzwanzig Euro in die Hand. „Kauf mit dem Wechselgeld Schokolade für deine Kinder“, sagte ich und stieg aus dem Auto. Er brachte mir noch die Koffer bis zur Tür, wo meine Mutter schon wartete. Im Stockwerk über ihrer Wohnung hatte sich eine Gardine bewegt. Aha: Neugierige Nachbarn! Es war also alles beim Alten! Willkommen zurück!

Ich akklimatisierte mich aber nur langsam.

Was ist der Himmel grau, ebenso wie die Häuser und Straßen, dachte ich so manches Mal in einem leichten Anflug von Melancholie. Irgendwie bedrückend … Nach einer halben Stunde Fußmarsch konnte man von der Wohnung meiner Mutter aus das Stadtzentrum erreichen, ohne auf die überteuerten öffentlichen Verkehrsmittel zurückgreifen zu müssen. Manchmal gingen wir gemeinsam, aber oft zockelte ich auch alleine los, wie an jenem Samstag. In der Türkei sind die Einkaufszentren – unabhängig vom Wochentag – bis spät abends um 22 oder 23 Uhr geöffnet. Gutgelaunt steuerte ich den Kaufhof an und entledigte mich bereits in der warmen Einkaufshalle der lästigen Mütze, des Schals und der Handschuhe. Jacke auf und das Vergnügen konnte beginnen! Doch das sollte nicht lange dauern! Als ich nach der Anprobe mit einigen Kleidungsstücken an die Kasse trat, blaffte mich die Kassiererin wütend an: „Wir schließen um 14 Uhr! Das kann ich nicht mehr abrechnen!“ Mist! Die Ladenschlusszeiten hier hatte ich total vergessen! Ich schaute auf meine Uhr. „Und warum nicht? Es ist erst zehn vor Zwei“, erwiderte ich in ruhigem Ton. Die nette Dame knallte mit einem Ruck die Kassenlade zu und funkelte mich wortlos an. Kopfschüttelnd legte ich meine Ware auf den Tresen und verließ das Geschäft. So etwas wäre in der Türkei undenkbar gewesen! Einmal hatte dort sogar jemand sein schon abgeschlossenes Geschäft für uns noch einmal geöffnet. Auch in England war der Kunde noch König. Damals im Harodds in London kam zunächst die Durchsage, dass um 21 Uhr geschlossen wird, doch man konnte immer noch in Ruhe seine ausgesuchte Ware bezahlen. Tatsächlich machte das Kaufhaus dann erst um zwanzig nach neun zu.

Ich schlenderte langsam nach Hause. Geschäftsschluss! Nach kurzer Zeit würde sich das Zentrum am helllichten Tag in eine Geisterstadt verwandeln. Als wir einmal sonntags aus einem Spanienurlaub zurückkehrten, war uns das besonders stark aufgefallen. Fröstelnd zog ich meine Jacke fester und freute mich auf die heiße Tasse Kaffee bei meiner Mutter.

 

Vierzehn Tage gehen schnell vorbei, wenn man sich mit Freunden trifft und diverse Verwandtenbesuche macht. Es war einfach nicht alles zu schaffen, so manch einer musste vertröstet werden, und vielen hatte ich mangels zur Verfügung stehender Zeit erst gar nicht gesagt, dass ich in Deutschland weilte. Dennoch habe ich schöne Erinnerungen, wie zum Beispiel den Bummel über den geschmückten Weihnachtsmarkt mit einer Freundin, mit der ich in Grundschule und Gymnasium unzertrennlich war. Manche Freundschaften halten wirklich fürs Leben. Auch der Besuch in meinem chinesischen Stamm-Restaurant war ein Highlight. Hier gab es damals noch Schweinefleisch süß-sauer, inzwischen wurde es leider von der Karte gestrichen, wie ich letztes Jahr bedauernd feststellen musste.

Ich freute mich aber zunehmend auf zu Hause, meinen Mann und die Kinder. Die letzten Tage fieberte ich dem Abflug regelrecht entgegen. Es wurde höchste Zeit!

 

Am Zoll passierte mir noch etwas Peinliches: Ich hatte mir die Jackentaschen mit Lakritze vollgestopft, da es die in der Türkei nur selten gibt – wenn, dann ohnehin nur Schnecken. Prompt musste ich alles herausholen und aufs Band legen. Damit hatte ich nicht gerechnet, in Izmir musste man nur die Jacke in eine Schale legen. Vor den Augen der amüsierten Mitreisenden breitete ich tütenweise Salinos, Salzlakritz, Salmiakpastillen und Lakritz-Bonbons aus. Wider Erwarten bekam ich dennoch alles mit. In darauf folgenden Jahren sollte dies nicht immer der Fall sein. Mal wurde der Camembert, mal die Leberwurst, mal die Fischkonserve – diesmal ging die Leberwurst übrigens anstandslos durch – im Rucksack beanstandet. Die Bestimmungen schienen sich ständig zu ändern! Aufatmend saß ich schließlich samt meiner Lakritze im Flieger. Da es Winter und beim Landeanflug auf Izmir noch dunkel war, hatte ich Glück und konnte die riesige erleuchtete Stadt zwischen Meer und Bergen unten liegen sehen. Der Pilot vollführte einen Halbkreis und fast jeder hing am Fenster – ein überwältigender Anblick! Ich kann es nicht beschreiben, das muss man einfach gesehen haben!

Zufrieden lehnte ich mich in meinen Sitz zurück, während die ersten schon kramten und aufstanden, während das Flugzeug noch ausrollte. Ich war wieder zu Hause! Als ich meinen Pass vorzeigte, stand mir wohl die Freude ins Gesicht geschrieben. Der Beamte strahlte mich an und sagte: „Willkommen zurück! Wie war der Urlaub?“ Ja, er war schon schön, aber ich war glücklich, wieder hier zu sein!

 

©byChristine Erdic

 

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Firmeninformation
Die deutsche Buchautorin Christine Erdic lebt zur Zeit hauptsächlich in der Türkei.
Beruflich unterrichtet sie in der Türkei Deutsch für Schüler (Nachhilfe), sie gab
Sprachtraining an der Uni und machte Übersetzungen für türkische Zeitungen.
Mehr Infos unter Meine Bücher- und Koboldecke
https://christineerdic.jimdofree.com/

https://literatur-reisetipps.blogspot.com/

 

 

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