Die Kündigung eines / einer ArbeitnehmerIn in Elternzeit kann unwirksam sein, wenn bei den zeitlich früheren Kündigungen der übrigen ArbeitnehmerInnen eines Betriebes gegen das Konsultationsverfahren beim Betriebsrat nach § 17 KSchG (Massenentlassungsanzeige) verstoßen wurde. Voraussetzung der Unwirksamkeit ist, dass der Arbeitgeber die Zustimmung zur Kündigung bei der zuständigen obersten Landesbehörde innerhalb der 30-Tage-Frist des § 17 KSchG beantragt hat.
Diese Grundsätze gelten zumindest bei einer Betriebsstilllegung.
Leitsatz der Verfasserin
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 26.01.2017-6 AZR 4 4 2/16
(zitiert nach Pressemitteilung des BAG 4/17)
Der Arbeitgeber plante eine Betriebsstilllegung. Fast alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (AN) des Betriebes hatten daher im Dezember die Kündigung erhalten. Die Kündigungen verstießen gegen das Konsultationsverfahren nach § 17 KSchG und waren daher unwirksam. (Siehe auch Mandanteninfo August 2013: http://www.fachanwaeltinnen.de/minfo/Massenentlassungsanzeige.pdf )
Die AN war zum Kündigungszeitpunkt in Elternzeit. Daher bedurfte die Kündigung ihr gegenüber gemäß § 18 Abs. 1 Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz der vorherigen Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde. Der Arbeitgeber beantragte diese im Dezember zeitgleich mit dem Ausspruch der Kündigungen. Die Zustimmung wurde im März des Folgejahres erteilt. Der Arbeitgeber sprach daraufhin die Kündigung auch gegenüber der AN aus. Die AN erhob fristgerecht Kündigungsschutzklage und berief sich ebenfalls auf eine Unwirksamkeit der Kündigung nach § 17 KSchG wegen des fehlerhaften Konsultationsverfahrens.
Letztinstanzlich wies das Bundesarbeitsgericht die Klage der AN ab. Es begründete seine Entscheidung damit, dass die Kündigung der AN in Elternzeit außerhalb der für den Ausspruch der Kündigungen maßgeblichen 30-Tages-Frist des § 17 KSchG erfolgt sei und damit nicht mehr dessen Schutz unterfalle.
Das von der AN im Zuge einer Verfassungsbeschwerde angerufene Bundesverfassungsgericht hat diese Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts aufgehoben.
Es hat festgestellt, dass die Entscheidung des BAG gegen den allgemeinen Gleichheitssatz aus Art. 3 Grundgesetz (GG) verstößt und das Bundesarbeitsgericht bei seiner Entscheidung den besonderen Schutz der Familie gemäß Art. 6 GG missachtet hat. Die AN darf wegen der Elternzeit und der dadurch erforderlichen Einholung der behördlichen Zustimmung, die naturgemäß Zeit in Anspruch nimmt, nicht schlechter gestellt werden, als die übrigen AN bei einer Betriebsstilllegung. Deren Kündigungen waren aber wegen Verstoß gegen § 17 KSchG unwirksam und sie standen weiterhin in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber. Dies muss auch für die AN in Elternzeit gelten.
Das Bundesarbeitsgericht hat nachfolgend der Kündigungsschutzklage der AN mit der Entscheidung vom 26.01.2017 stattgegeben.
Fazit:
Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes ist aus zwei Aspekten bedeutsam:
1.Das Bundesverfassungsgericht kann Urteile des Bundesarbeitsgerichtes aufheben, wenn diese gegen die Verfassung verstoßen. An diese Möglichkeit sollte bei ablehnenden Urteilen des Bundesarbeitsgerichtes immer gedacht werden. Eine derartige Verfassungsbeschwerde ist innerhalb einer Frist von einem Monat nach der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts einzulegen und vollständig zu begründen.
2.Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts ist zumindest bei Massenentlassungen im Zusammenhang mit Betriebsstilllegungen zu beachten. Wenn der Betriebsrat Bedenken hat, dass das Konsultationsverfahrens ordnungsgemäß war, sollte er nach rechtlicher Beratung erwägen, den Arbeitgeber an AN, die sich in Elternzeit befinden, zu erinnern, um zu veranlassen, dass die Zustimmung zu deren Kündigung ebenfalls innerhalb der 30 Tage des § 17 KSchG beantragt wird. Gleichzeitig sollten die Betriebsräte die AN informieren, um diesen zu ermöglichen, sich im Rahmen einer Kündigungsschutzklage ebenfalls auf einen Verstoß gegen § 17 KSchG zu berufen.
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