Mi. Okt 9th, 2024

Potenzial wird als Entwicklungsmöglichkeit definiert, oder auch als die Gesamtheit der noch nicht ausgeschöpften Möglichkeiten, Mittel, Energie und Fähigkeiten jedes Einzelnen.
Potenzial schließt nicht nur die Talente sowie Fähigkeiten einer Person ein sondern auch die Lebensumstände, in denen sie sich gerade befindet.
Dieser kleine Ratgeber zeigt anhand realer und lebendiger Beispiele auf, wie man sein Potenzial voll nutzen kann und welche Fehler dabei besser vermieden werden sollten.
“Es war mir sehr wichtig, nicht nur einen trockenen Ratgeber zu schreiben sondern auch anschauliche Beispiele einzufügen die aus dem realen Leben stammen und motivieren und auflockern sollen”, so die Autorin.

Leseprobe: Das künstliche Licht dieser Welt
An einem kalten Winterabend um 18 Uhr erblickte ich das künstliche Licht dieser Welt. Meine Geburt dauerte satte 12 Stunden, und man hätte mich eigentlich per Kaiserschnitt holen müssen. Meine Mutter erholte sich folglich auch nur sehr langsam von den Strapazen. Ich war zwar wohl auf, aber den Erzählungen nach ein sehr eigenwilliges und auch etwas seltsames Kind. Vielleicht hat mir der Weg durch das – laut Arzt – zu enge Becken meiner Mutter doch mehr zu schaffen gemacht, als es zunächst den Anschein hatte. Jedenfalls weigerte ich mich später strikt, durch diese seltsamen Betonröhren auf Spielplätzen zu kriechen, weil ich darin Platzangst bekam. Ich schottete mich gerne ab und konnte bzw. kann mich sehr gut alleine beschäftigen. Kurz gesagt: Von klein auf fühlte ich mich wie ein Alien inmitten Normalos, die im Gegensatz zu mir genau wissen, in welche Richtung sie zu marschieren haben.
„Wenn ich nicht ganz genau wüsste, dass es unmöglich ist, würde ich sagen, du bist vertauscht worden. Aber in der kleinen Privatklinik gab es damals außer dir nur noch ein anderes Baby, dessen Vater aus Algerien stammte“, sagte meine Mutter oft zu mir. Oder auch: „Woher hast du nur diesen seltsamen Reisetrieb? Das liegt so gar nicht in unserer Familie.“ Dass ich extrem reiselustig bin stimmt, aber vielleicht kommt das ja von Seiten meines Vaters, dessen Familie ich nie kennengelernt habe, da nach dem Krieg einfach niemand mehr greifbar war und Ostberlin inzwischen zur ehemaligen DDR gehörte, während ich im Westen aufwuchs. Vergeblich hoffte ich viele Jahre auf meine eigentlichen Eltern zu stoßen, die eines Tages vor der Tür stehen und ihr Recht einfordern würden. Dann könnte ich vielleicht sogar noch Geschwister bekommen, wie meine Freundinnen, die jede mit einem Brüderchen oder Schwesterchen gesegnet waren. Doch ich wartete vergeblich und fand mich schließlich schweren Herzens mit dem Gedanken ab, als Einzelkind aufzuwachsen.
Mein Vater war sehr talentiert, er konnte nicht nur gut malen sondern auch wunderschöne bildhafte Geschichten erzählen. So unterhielt er mich Sonntagsmorgens – während meine Mutter noch schlummerte – mit selbst erdachten Märchen von Hexen und Flaschengeistern, die für mich eine greifbare Form annahmen. Für das Malen begeisterte ich mich ebenfalls von Kindesbeinen an. Außerdem war kein Buch vor mir sicher, und ich verschlang bereits im zarten Alter von neun Jahren heimlich „Der Arzt von Stalingrad“, „Das Herz der 6. Armee“ und „Die Tochter des Teufels“ von Konsalik. Ich schrieb leidenschaftlich gerne selber kleine Geschichten und Gedichte – mit letzteren wurden an Geburtstagen die lieben Verwandten beglückt. So hatte ich wohl doch etwas geerbt, und damit wurden meine wahren Wurzeln – trotz zum Teil wohl berechtigter Zweifel meiner Mutter – letztendlich frei gelegt. Nur eines der Talente meines Vaters blieb mir für immer versagt: Er war musikalisch hochbegabt, nahm Gesangsunterricht und sang Tenor. Sein Ziel war von jeher die Oper, doch schon vor meiner Geburt musste er die heiß begehrten Gesangstunden aus Geldmangel abbrechen. 1922 geboren, war er somit nicht nur ein Opfer des zweiten Weltkrieges mit einer nicht ausgelebten Jugend sondern wurde zudem auch eines der Nachkriegszeit. Ich weiß noch, dass er jedes Mal Zustände bekam, wenn ich den Mund öffnete, um die Lieder von Mireille Matthieu mit Begeisterung und ausgeprägtem französischem Akzent nachzusingen. „Du wechselst dabei ja sogar die Tonleitern! Wie ist das nur möglich? Hör bloß auf, das erträgt ja kein Mensch!“ Meine Mutter drückte sich einfacher aus: „Kack in einen Strumpf und wirf ihn die Treppe hinunter. Das klingt besser.“
Nun, man kann eben nicht jedes Talent erben. Irgendwann sah ich ein, dass mein Gesang nur in meinen eigenen Ohren gut klang und beschloss gnädig, meine Mitmenschen fortan damit zu verschonen.
Man soll die Talente nutzen, die man hat – egal ob geerbt oder Marke Eigenbau. Es gibt niemanden, der gar nichts vermag. Jeder hat seine Fähigkeiten und mag Dinge, die ihm besonders liegen. Der eine kann eben gut singen oder malen, ein anderer kocht hervorragende Gerichte, ist sprachbegabt, saugt mathematisches oder architektonisches Verständnis sozusagen mit der Muttermilch ein oder ist besonders sportlich veranlagt. Und dann gibt es noch jene Menschen, die etwas völlig Neues erfinden oder kreieren.
Ob man seine Fähigkeiten und Neigungen nun ausschließlich als Hobby nutzt oder beruflich, das muss letztendlich jeder für sich selbst entscheiden. Beides kann durchaus erfüllend und befriedigend sein. Ich erinnere mich noch, dass ich meinen Kindern immer sagte: „Es ist nicht so wichtig, was ihr macht sondern dass ihr es möglichst gut macht.“ Um etwas wirklich gut zu machen, muss man aber mit Leib und Seele dabei sein – und darin liegt das Geheimnis des Erfolgs. In dem Augenblick, wo einem etwas nicht mehr so wichtig ist und man nur noch halbherzig dabei ist, hat man schon verloren.
Wir Menschen sind durchweg verschieden, haben unterschiedliche Interessen, Bedürfnisse und Talente. Selten wird man zwei Menschen finden, die in allen Punkten übereinstimmen, aber eben das macht uns zu einzigartigen Individuen. Es ist nicht immer einfach, anderen seinen Standpunkt zu vermitteln, seine Wünsche durchzusetzen und sich in eine Gemeinschaft einzuordnen, die ihre Strukturen in weitgehend