Die Diagnose Krebs ist für die Autorin gleichbedeutend mit Sterben und Tod. In ihrem Buch „Ohne Gott wär ich am Arsch“ stellt sich Karin Schobesberger die Frage, ob sich Gott in der größten Krise ihres Lebens von ihr abgewandt hat. Ehrlich und fesselnd geschrieben. Ein Buch, das Mut macht!
»Dringend malignomverdächtig«
Zuerst hatte ich vor, allein zum Radiologischen Institut zu fahren, um den Befund abzuholen, aber Christian ließ das nicht zu. Er bestand darauf, mich zu chauffieren.
»Ich habe ein besseres Gefühl dabei, wenn ich mitkomme«, sagte er zu mir und im gleichen Atemzug: »Nicht, dass ich glaube, dass was ist, aber einfach zur Sicherheit.«
Die Untersuchung selbst – einige Tage zuvor – war relativ unspektakulär vonstattengegangen. Man spritzte mir ein Kontrastmittel in die Vene, kurz darauf wurde ich in der Röhre platziert und dann fing lautes Klopfen an, das kein Ende zu nehmen schien. Es war eine große Herausforderung, in völliger Regungslosigkeit in der Röhre liegend auszuharren. Vermutlich handelte es sich nur um einige Minuten, aber mir kamen sie wie Stunden vor. Gesprochen wurde während der ganzen Prozedur nicht viel. Es war halt ein medizinisches Institut und nicht ein niedergelassener Arzt. Womöglich war das so üblich, dass man hier nur hinging, untersucht wurde und dann wieder wegging ohne jegliches Aufheben. Mir war darüber nichts bekannt. Bisher hatte ich mich nur in den Schwangerschaften untersuchen lassen.
Wir traten ein und stiegen die Stufen empor, denn das Institut war im ersten Stock eines großen Geschäftsgebäudes mitten im Stadtzentrum eingemietet. An der Rezeption prangte in überdimensionalen Lettern die Aufschrift: Der Mensch im Mittelpunkt
Direkt unter dem plakativen Werbespruch ragte ein breiter, wuchtiger Rezeptionstisch in den Raum. Ich trat zu den Angestellten heran, die sitzend hinter dem riesigen Möbel fast verschwanden, und bat um meinen Befund. Eine Dame in weißem Kittel händigte mir ohne Worte ein großes Kuvert aus. Wir verließen das Institut schon nach wenigen Augenblicken wieder durch die automatische Schiebetür, die sich fast lautlos hinter uns schloss.
Im Stiegenhaus riss ich den Briefumschlag sofort auf. Die Aufregung darüber, gleich zu lesen, dass alles nicht der Rede wert und mein Busen völlig in Ordnung war, ließ meine Hände zittern! Mit klammen Fingern zog ich das Schreiben aus dem Umschlag. Das Schriftstück war an den überweisenden Arzt gerichtet.
Die ersten, einleitenden Sätze überflog ich ohne großes Interesse. Der Dank für die Zuweisung. Die üblichen Höflichkeitsfloskeln unter Medizinern. Mir war nur ein Punkt wichtig: Worum handelte es sich denn nun bei dem ›Ding‹ in meinem Busen?
Sekunden später hatte sich alles verändert.
»So fühlt es sich also an, wenn einem der Boden unter den Füßen weggezogen wird«, dachte ich, während das Blickfeld langsam vom Fenster des Flures auf die Deckenbeleuchtung wechselte. Ich verlor das Gleichgewicht, weil sich der Boden unter mir bewegte. Christian fing mich auf und hielt mich fest. Gott sei Dank.
Mein Mann nahm mir das Blatt Papier aus der Hand, um selbst die Stelle zu lesen, die mich so aus der Fassung gebracht hatte.
Raumforderung, dringend malignomverdächtig stand da. Was das bedeutete, hatte ich mir in den letzten Tagen angelesen:
Ein Malignom ist bösartig.
Krebs.
Tod.
Sterben.
Welch ein Segen, dass Christian mich nicht allein fahren hatte lassen, denn vermutlich wäre ich an den nächsten Brückenpfeiler gedonnert. Ich rang um Fassung und Luft. Meine Lunge fühlte sich an, als ob sie ausgepresst worden wäre und der Sauerstoff nur durch eine winzige Öffnung wieder hineinströmen konnte, was mir erhebliche Atemnot verursachte.
»Was nun?«, fragte ich meinen Mann verzagt und mit erstickter Stimme »Was machen wir denn nun?«
© Karin Schobesberger
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Dringend malignomverdächtig. Dieser Befund zieht Karin nicht nur den Boden unter den Füßen weg, er stellt ihr gesamtes Weltbild auf den Kopf – das Leben steht still. Die Diagnose Krebs ist für sie gleichbedeutend mit Sterben und Tod, sie klingt nach langem, schwerem Leiden und eine vordringliche Frage brennt in ihrem Inneren:
»Warum ich?«
In unzähligen Ratgebern und Lebenshilfebüchern sowie in christlicher Literatur sucht sie verzweifelt, jedoch vergebens, nach Antworten.
Den lieben Gott hat sie vor langer Zeit beiseitegeschoben und nur für Notfälle in petto gehabt. Jetzt, in der größten Krise ihres Lebens, fragt sie sich, ob er ihr vielleicht längst den Rücken zugekehrt hat.
Mit Esprit und einer gehörigen Portion Selbstironie führt die Autorin durch eine Geschichte mit Tiefgang und lässt LeserInnen trotz aller Dramatik nicht nur einmal schmunzeln oder gar laut auflachen.
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