Fr. Aug 16th, 2024

So manch einer von uns würde wohl gerne sein Leben neu schreiben oder zumindest ein paar Korrekturen daran vornehmen, wenn es denn mögşlich wäre. So ergeht es auch dem kleinen Thomas.

Das Manuskript
Lustlos schlenderte Thomas durch die Straßen der Stadt. Heute war sein Geburtstag, und eigentlich sollte er fröhlich sein. Ein bitteres Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Geburtstag, pah! Wen interessierte das schon? Seine Eltern jedenfalls nicht! Wütend kickte er eine leere Cola-Dose zur Seite.
„Na, junger Mann, warum denn so ungeduldig?“ Erschrocken sah Thomas auf und blickte in das Gesicht eines Greises.
„Es ist nur … weil … “, stotterte er verlegen.
„ … heute dein Geburtstag ist?“, vollendete der Alte den Satz und zeigte ein zahnloses Grinsen.
„Woher wissen Sie das?“ Der Zehnjährige sah den Fremden misstrauisch an. Dieser hatte einen Kasten mit Büchern an einem Lederband um den Hals hängen. Sie sahen ebenso alt und gammelig aus wie der Typ. Überhaupt war die ganze Gegend hier schmuddelig. In seinem Zorn hatte Thomas nicht auf den Weg geachtet.
„Tut nichts zur Sache, Junge. Du siehst aus, als hättest du noch kein Geschenk bekommen.“ Thomas schluckte. Nicht mal gratuliert hatte man ihm. Seine Mutter war schon früh fort zur Arbeit, und bei seinen Klassenkameraden hatte er keine guten Karten. Nie hatte er Geld, Ausflüge konnte er nicht mitmachen, und so zog sich der Junge mehr und mehr in seinen Schmerz zurück. Der Vater war schon lange fort, hatte jetzt eine neue Familie, die Mutter überarbeitet und nervös – immer öfter rutschte ihr neuerdings die Hand aus.
Trotzig schüttelte er den Kopf.
„Dann will ich dir etwas schenken“, sagte der Mann. Neugierig sah Thomas ihn an. Eigentlich sollte er nicht mit Leuten sprechen, die er nicht kannte.
„Komm, suche dir eins aus“, lockte der Fremde. Zögernd kam der Junge näher.
„Was ist das denn für ein komisches Ding?“ Neugierig zog Thomas ein vergilbtes Exemplar mit unbeschriftetem Buchdeckel aus dem Kasten hervor.
„Das ist ein leeres Manuskript, es muss erst noch zum Buch werden“, lautete die Antwort.
„Aber es steht ja gar nichts drin!“
„Eben. Es wird erst ein Buch, wenn du etwas hineinschreibst. Vielleicht hast du ja einen geheimen Geburtstagswunsch.“ Prüfend sah der Alte den Jungen an. Dieser nahm den leeren Einband an sich.
„Ja …“ murmelte er und bedankte sich höflich. Immerhin war dies sein Geburtstagsgeschenk – wahrscheinlich das einzige, das er bekommen würde. Lächelnd sah der Buchhändler ihm hinterher, bis die schmale Gestalt kleiner wurde und schließlich ganz verschwand.

„Was fange ich nun damit an?“ Nachdenklich blätterte Thomas durch die uralt anmutenden Seiten und legte sein Geschenk dann auf den Schreibtisch zurück. Er hatte noch Hausaufgaben zu erledigen.
Am Abend kam die Mutter.
„Hast du schon etwas gegessen, Tommy?“ Der Junge schüttelte den Kopf.
„Mein Gott! Du hättest auch mal etwas kochen können! Du weißt doch, wie abgespannt ich immer bin. Dann gibt es heute nur Butterbrot zum Abendessen!“
„Du wolltest Kuchen mitbringen“, zaghaft kam es von den Lippen des Knaben.
„Ach herrje! Dein Geburtstag! Ich habe ihn vergessen. Was nun?“
Traurig zuckte Thomas mit den Schultern.
„Macht nix“, murmelte er.
Mit Verachtung blies er später die kleine Geburtstagskerze aus, die in einem Kanten Graubrot steckte. Er wünschte sich nichts dabei. Seine Wünsche würde er in der Nacht schreiben.
„Zieh nicht so ein Gesicht!“, fuhr ihn seine Mutter an. „Ich mache es wieder gut. Morgen bringe ich dir eine Torte mit.“
Thomas saß an seinem Manuskript und kritzelte eifrig. Da war ein glücklicher kleiner Junge, der seine Geburtstagsgeschenke auspackte. Das war er, Tommy. Ringsherum standen seine Freunde und klatschten jedes Mal, wenn er ein Geschenkpapier aufgerissen hatte. Ein Fußball, eine neue Taschenlampe, eine Tüte mit Lakritz und und und…
Seine Eltern kamen herein.
„Das Beste kommt erst noch, mein Junge.“ Der Vater schloss ihn fest in seine Arme.
„Die große Torte?“, fragte Tommy aufgeregt und zeigte auf ein wahres Prachtstück, das seine Mutter gerade auf einer Riesenplatte ins Zimmer transportierte.
„Nein – schau mal in den Garten. Dort wartet ein ganz besonderer Geburtstagsgast!“, lachte sie.
„Tommy, du machst sofort das Licht aus! Morgen ist Schule, und du musst pünktlich um Sieben aufstehen. Darum kann ich mich nicht auch noch kümmern!“, keifte es von draußen. Hastig ließ der Junge das Schriftstück unter den Schulheften verschwinden – gerade noch rechtzeitig, bevor sich die Tür öffnete.

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Unheimliche Geschichten
Aberglauben hatte stets seinen festen Platz in der menschlichen Gesellschaft. Tief verwurzelt scheint die Angst vor schwarzen Katzen, die von links unseren Weg überqueren, der Zahl 13 sowie Freitag dem Dreizehnten zu sein. Ebenso soll es Unglück bringen, unter einer Leiter hindurchzugehen oder einen Spiegel zu zerbrechen. Daher ist es also kein Zufall, dass dieses Buch genau 13 unheimliche Geschichten, eine schwarze Katze und einen Spiegel enthält. Wirken Flüche wirklich oder nur, wenn man an sie glaubt? Existieren Aliens und Zeittore ausschließlich in unserer Fantasie? Was ist möglich oder unmöglich, Wahrheit oder Fiction? Das müssen Sie, lieber Leser und liebe Leserin, selbst herausfinden. Doch Vorsicht! Verlieren Sie sich nicht zwischen den Zeilen dieses Buches.
ISBN-13 : 978-1093338331
(Auch als E-Book erhältlich.)

©byChristine Erdic

Firmeninformation
Die deutsche Buchautorin Christine Erdic lebt zur Zeit hauptsächlich in der Türkei.
Beruflich unterrichtet sie in der Türkei Deutsch für Schüler (Nachhilfe), sie gab
Sprachtraining an der Uni und machte Übersetzungen für türkische Zeitungen.
Mehr Infos unter Meine Bücher- und Koboldecke
https://christineerdic.jimdofree.com/
https://literatur-reisetipps.blogspot.com/

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