Wie war es wirklich mit dem Reisen in der DDR? Waltraud Seidel gibt dem Leser Aufschluss, und das ist mehr als interessant.
Eingesperrt!?: Reiselust und Reisefrust in der DDR, Reiseerzählungen
Ja, wart ihr denn nicht eingesperrt? Ansichtssache! Wer unbedingt in den Alpen klettern, Paris, oder gar New York sehen wollte, der fühlte sich wohl eingesperrt. Wer stattdessen die Berge der Hohen Tatra besteigen, im Moskauer Bolschoi-Theater “Schwanensee” erleben oder am Balaton und am Schwarzen Meer seinen Badeurlaub verbringen wollte, für den gab es auch als DDR-Bürger wunderschöne Urlaubserlebnisse. Eingesperrt oder eingeschränkt? Der Leser mag selbst entscheiden.
ISBN-13: 978-3966610483
Leseprobe aus dem Buch
VORWORT
Mit der Lektüre nur einer Seite aber sind richtige Leseratten nicht zufrieden. Und die DDR hatte viele Leseratten, die das WELTBuch erkunden wollten und auch einen Teil dessen erkundet haben.
Doch kann so eine Leseratte die obersten Regalteile nicht erreichen, dann wählt sie ihren Lesestoff eben aus erreichbarer Höhe. Aber sie liest und liest und liest.
Und genau so hatten es die Reiselustigen der DDR gemacht. Sie bereisten die Weltteile, die sie erreichen konnten. Sie fuhren nach Prag statt nach Paris, nach Krakau statt nach London und zum Baden ging es an den Balaton statt nach Mallorca.
Und genau darüber, über Reiselust und Reisefrust vieler DDR-Bürger erzählt dieses Buch.
IM GEFÄNGNIS
„Es geht ein Schritt so leise, als wär’s ein letzter Schritt. Der Wind dreht sich im Kreise, das welke Laub zieht mit.“
Was habe ich es geliebt, Bechers Gedicht „Herbstweisen“. In unseren Lesebüchern war es schon Schülern der 6. Klasse zugänglich. Noch immer läutet es für mich den Herbst ein. Ein Herbst, der leise, behutsam die letzten Sommertage verdrängt. Dachte Becher dabei auch an den Herbst des Lebens? Welches „Sommerglück“ ist es, das von Ferne in uns nachsummt? Das Glück sommerlicher Erlebnisse und sonnenverwöhnter Tage? Das Glück einer gemeinsamen Zeit?
Wie weit musste es von Becher entfernt sein, dieses nachsummende Sommerglück, als er im Juli 1957 nicht aufstand gegen Ulbrichts gänzlich unberechtigte Anschuldigungen gegenüber Walter Janka, bis dahin Leiter des renommierten Aufbau-Verlages und als solcher J.R.Becher freundschaftlich verbunden.
Ursache war der Ungarn-Aufstand im Jahre 1956. Anna Seghers, J.R. Becher und Brechts Witwe, Helene Weigel, sorgten sich um den befreundeten Ungarn Georg Lucacs, Literaturwissenschaftler und als solcher einer der Autoren des Aufbau-Verlages. Es schien wichtig, ihn aus dem ungarischen Politik-Wirrwarr nach Deutschland in zumindest relative Sicherheit zu bringen. Von jenen überredet, hatte sich Walter Janka zu diesem gefahrenträchtigen Vorhaben bereit erklärt. Wohl organisiert vom Kulturminister Becher selbst, sollte es diesen Versuch wert sein.
Doch dann plötzlich das Veto von höchster Stelle. Walter Ulbricht, persönlich kein Lukacs- Freund, hatte es untersagt. Für Janka schien das damit erledigt, hatte er doch Sorgen genug wegen der Verhaftung seines Cheflektors Wolfgang Harich. Konterrevolutionäre Umtriebe waren dem zur Last gelegt worden, bestraft mit zehn Jahren Zuchthaus. Doch Harich allein genügte der Staatssicherheit nicht. Nach monatelanger Kleinarbeit unterstellten deren Untergrund-Mühlen auch Walter Janka staatsfeindliche Konzeptionen und konspirativ – umstürzlerische Pläne nach ungarischem Vorbild.
Seine von Ministerhand vorbereite Ungarn-Reise war der gesuchte Anlass. Im Juli 1957 wurde Walter Janka in einem Schauprozess vom Obersten Gericht der DDR zu fünf Jahren Zuchthaus verurteilt…
(Text und Bildmaterial mit freundlicher Genehmigung von Martin Urbanek.)
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Die deutsche Buchautorin Christine Erdic lebt zur Zeit hauptsächlich in der Türkei.
Beruflich unterrichtet sie in der Türkei Deutsch für Schüler (Nachhilfe), sie gab
Sprachtraining an der Uni und machte Übersetzungen für türkische Zeitungen.
Christine Erdic
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