(Mynewsdesk) Ein einheitlicher Medikationsplan, in dem die Medikation und die Einnahmehinweise für Patienten übersichtlich und verständlich dargestellt werden, soll für mehr Sicherheit im Umgang mit Arzneimitteln sorgen. Deshalb haben gesetzlich versicherte Patienten, die dauerhaft mindestens drei verordnete Arzneimittel parallel anwenden, seit dem 1. Oktober 2016 Anspruch auf Erstellung und Aushändigung eines Medikationsplans in Papierform durch ihren Arzt. Laut Schätzungen des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) sind etwa fünf bis zehn Prozent aller Krankenhauseinweisungen Folge unerwünschter Nebenwirkungen von Arzneimitteln (UAW). Demnach sind zwischen 250.000 und einer halben Million Krankenhauseinweisungen jährlich vermeidbar.
Doch entgegen den Erwartungen fällt die Bilanz ein Jahr nach Einführung des Medikationsplans ernüchternd aus. Das ist das Ergebnis einer bundesweit einmaligen repräsentativen Studie der hkk Krankenkasse. In diesem Zusammenhang wurden von allen hkk-Versicherten mit Anspruch auf einen Medikationsplan anhand einer Zufallsstichprobe 1.000 Versicherte befragt, von denen 324 geantwortet haben. Studienleiter Dr. Bernard Braun vom Bremer Institut für Arbeitsschutz und Gesundheitsförderung (BIAG): „Das Ziel, die Arzneimitteltherapiesicherheit für multimorbide bzw. von Polypharmazie betroffene Patienten zu erhöhen, wurde nur für eine Minderheit erreicht. Um die mit dem gesetzlichen Anspruch auf einen schriftlichen Medikationsplan angestrebten Ziele der Vollständigkeit, Verständlichkeit und Steuerungsfähigkeit für möglichst viele Patienten mit Arzneimittelverordnungen und Selbstmedikation erreichen zu können, müssen zahlreiche konzeptionelle Mängel behoben werden.“ Unter anderem konnten folgende Unzulänglichkeiten im Rahmen der Befragung festgestellt werden:
* Nur 37,7 Prozent der Versicherten mit Anspruch auf und Bedarf an einem Medikationsplan haben ihn auch erhalten.
* Ein Viertel der Befragten mit Medikationsplan wurden gar nicht oder nur unzureichend über den Sinn des Plans aufgeklärt.
* Knapp 21 Prozent der Befragten gaben an, dass sie vom für den Medikationsplan verantwortlichen Arzt weder über den Nutzen noch über die Einnahmemodalitäten der verordneten Medikamente informiert wurden.
* 51,6 Prozent aller Befragten mit Medikationsplan wurden nicht gefragt, ob sie sich zusätzlich rezeptfreie Arzneimittel in der Apotheke gekauft hätten.
* 43 Prozent aller Befragten mit Medikationsplan wurden nicht darauf hingewiesen, den Plan auch zum Besuch anderer Ärzte mitzunehmen und gegebenenfalls ergänzen zu lassen.
* 32,5 Prozent der Befragten, die auch von anderen Ärzten als dem Ersteller des Medikationsplans Medikamente verordnet bekamen, wurden nicht nach dem Medikationsplan gefragt. Sofern der Medikationsplan bei diesen Arztkontakten überhaupt eine Rolle spielte, wurde dieser bei 14,3 Prozent der befragten Patienten nicht ergänzt.
Präzisieren, verpflichten, lesbar machen
Um diesem Missstand abhelfen zu können, hält Dr. Braun einen umfangreichen Maßnahmenkatalog für notwendig: „Es muss untersucht werden, welche Kriterien bei den Ärzten ‚angekommen‘ sind und wie sie die Entscheidung, ob ein Medikationsplan erstellt wird oder nicht, beeinflussen.“ Zudem gelte es, die für den Patienten relevanten Informationen verständlicher zu formulieren. Darüber hinaus kritisiert der Wissenschaftler, dass es dort, wo es um die Inhalte des Medikationsplans gehe, aufgrund von Bemerkungen wie „in der Regel“ oder „sofern möglich“ einen zu breiten Gestaltungsspielraum für die Ärzte gebe. Dies reduziere den Nutzen einer möglichst vollständigen Übersicht über eine rezeptpflichtige und eine rezeptfreie medikamentöse Behandlung. „Dabei ist unklar, ob und wie sich Ärzte darüber informieren müssen, welche Arzneimittel ihre Patienten bereits von anderen Ärzten erhalten haben.“ Es ist deshalb unumgänglich, eine Reihe von Bestimmungen zu präzisieren und verpflichtend zu machen.
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