Landgericht Berlin anerkennt Schätzungsgrundlage; Urteile dürften Signalwirkung für andere Bundesländer haben
St.Gallen, 19.08.2016. Der Berliner Mietwohnungsmarkt ist angespannt. Dies ist nicht nur der Presse zu entnehmen. Wer in der Bundeshauptstadt nach einer neuen Bleibe sucht, wird es auch schnell am eigenen Leib erfahren. „Lange Schlangen von Interessenten sind inzwischen nicht nur an der Isar, sondern auch an der Spree die Regel“, meint Kommunikationsexperte Michael Oehme. Die Gründe hierfür sind schnell gefunden. Nach einer Veröffentlichung des Berliner Mietervereins e.V. und der IG Bauen-Agrar-Umwelt übersteigt die Nachfrage nach Wohnraum inzwischen das Angebot in 9 von 12 Bezirken. Berlin ist eben „arm, aber sexy“, wie es einst Bürgermeister Klaus Wowereit auf den Punkt brachte. „Wobei durch den Zuzug aus Deutschland und anderen Ländern bzw. das steigende Interesse von Firmen an der Bundeshauptstadt, der un goût des „arm“ zunehmend schwindet“, so Michael Oehme.
Weniger Quadratmeter als in „Restdeutschland“
Dabei wohnen die Berliner, nach jüngsten Erhebungen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), schon jetzt beengter als das Gros der übrigen Bundesdeutschen. Zumindest im Hinblick auf den Verdienst. Mit einem Viertel des Einkommens leisten sie sich 68 Quadratmeter Wohnfläche. Im Bundesdurchschnitt sind es im direkten Vergleich 94 Quadratmeter. Wobei das IW hervorhebt, dass das Wohnen in den Metropolen generell teurer ist und sich die Bürger daher nur kleinere Wohnungen leisten.
Mietpreisbremse bisher vergleichsweise wirkungslos
Um sich der Diskussion der steigenden Mietpreise zu stellen, haben Bundestag und Bundesrat dabei vergleichsweise schnell ein Gesetz verabschiedet, dass es den Bundesländern ermöglicht, Gegenden mit angespannten Wohnungsmärkten auszuweisen und deren Mietpreissteigerungen am Mietspiegel festzumachen. „Diese sogenannte Mietpreisbremse, die ab dem 1. Juli 2015 auch für Berlin gilt, hat bislang jedoch nur wenig Wirkung gezeigt. Denn seither stiegen die Mietpreise durchschnittlich nochmals um rund sechs Prozent“, so der Sankt Gallener Kommunikationsexperte Oehme. Über die Gründe könne man dabei nur spekulieren. Zum einen sehe das Gesetz ja Ausnahmen vor. Beispielsweise, wenn es sich um einen Neubau handele oder die Immobilie umfassend saniert wurde. „Andererseits dürften sich auch viele Vermieter schlicht nicht an die Vorgaben halten, wenn doch genügend Interessenten Schlange stehen“, meint Oehme.
Berliner Mietspiegel 2015 für Vergleiche angemessen
Wenigstens eine „Ausrede“, gerade von Vermietern, der Berliner Mietspiegel 2015 sei für einen Vergleich und damit die Festsetzung der neuen Mieten ohnehin nicht repräsentativ, wurde nun durch zwei Entscheide des Landgerichts Berlin (LG) widerlegt (Az. 67 S 72/16 und 18 S 111/15). Interessant sind dabei weniger die Einzelfälle, in denen es nicht einmal um größere Summen ging, sondern die grundsätzlich ablesebare Intention des Gerichtes, den Mietpreisspiegel als Vergleichsmaßstab zu bestätigen. So geht in dem einen Fall das Gericht in seiner Urteilsbegründung nicht davon aus, die erhobenen Daten seien unter „Verstoß gegen wissenschaftliche Grundsätze erhoben bzw. ausgewertet“ worden. Es ergänzt, dass etwaige Mängel zudem nicht ins Gewicht fallen würden. Im anderen Fall war vom Kläger angebracht worden, es fehle an einer repräsentativen Stichprobe. Auch diese Meinung schloss sich das Gericht in Anbetracht der Daten von 8500 Wohnungen nicht an. Eine Zulassung zur Revision ließ das Landgericht Berlin nicht zu. Damit dürften diese Entscheidungen auch für andere Städte Signalwirkung haben: „Viele Städte in Deutschland kämpfen mit der Ansicht von Vermietern, die herausgegebenen Mietspiegel entsprächen nicht der tatsächlichen Vermietungssituation. Diese Einschätzungen dürften nun durch die LG-Entscheide einen Dämpfer bekommen haben“, fasst Michael Oehme zusammen. Das Urteil wirke allerdings auch in die andere Richtung und sei verbindlich für Mieter.
Michael Oehme
Michael Oehme
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