Die Renten sind sicher – dieses Versprechen gaben uns die Politiker noch vor einigen Jahren. Heute steht Deutschland kurz vor einer Renten-Krise. Das Rentenniveau sinkt immer weiter, während der Beitragssatz für die gesetzliche Rentenversicherung mit größter Wahrscheinlichkeit steigen wird. Armutsrente und Altersarmut sind die Folgen für unsere alternde Bevölkerung, wenn nicht heute schon private Vorsorge geleistet wird. Alexander Jung, Student der Politikwissenschaften und Betriebswirtschaftslehre, befragte im Rahmen seiner Masterarbeit zur Rentensituation Thomas Vollkommer, Geschäftsführer – Institut für Strategische Investmentberatung (isi) Investmentresearch GmbH & Co. KG.
AJ: „Das Thema Altersarmut und Armutsrente ist neben den geopolitischen Problemen derzeit eines der präsentesten Themen in den Medien. Ab 2030 wird fast jeder zweite Neurentner eine Rente unterhalb der Armutsgrenze erhalten. Wie kommt es zu dieser plötzlichen Entwicklung?“
TV: „Das Problem ist nicht wirklich neu. Wir beschäftigen uns seit über 30 Jahren mit Kapitalanlagen. In meiner Anfangsphase als Berater war das Thema Altersvorsorge die Hauptmotivation für den Abschluss fast jeder Spar- oder Kapitalanlage. Aufgrund der demografischen Entwicklung war das Problem der gesetzlichen Rentenversicherung schon lange vorhersehbar. Immer weniger Beitragszahler müssen für immer mehr Rentenbezieher aufkommen und zusätzlich steigt die Lebenserwartung und somit der Zeitraum des Rentenbezuges ständig an. Vor dreißig Jahren lag das Problem noch sehr weit in der Zukunft. Aus heutiger Sicht stehen wir kurz davor und dem davon betroffenen Personenkreis wird die Rentenproblematik immer bewusster. Stellen Sie sich vor, Sie würden mit einem Fahrzeug ungebremst auf eine Felswand zurasen, die in 30 km Entfernung steht. Solange Sie die Wand nicht sehen, haben Sie wenig Motivation zu handeln und gegenzusteuern. Sobald die Wand sichtbar wird, ändert sich das schlagartig. Zusätzlich zum demografischen Aspekt kommen weitere Faktoren. Das Durchschnittseinkommen in Deutschland liegt bei 2.665 € monatlich (Quelle: Statista, Fraunhofer FIT). Einem Rentner bleiben davon im Jahr 2030 rund 40 % Rente übrig, das wären 1.066 €. Von diesem Betrag geht noch die fällige Steuer ab. Heute werden „nur“ 72 % der Rente besteuert. Bis zum Jahre 2030 steigt dieser Satz auf 90 % und ab 2040 müssen Rentner ihre Rente zu 100 % versteuern. Die Inflation tut ihr übriges. Zahlt ein Mieter beispielsweise heute 700 € Miete, so steigt diese Mietzahlung bei einer nur 2 %igen Inflation bis zum Jahr 2030 auf 930 € monatlich. Im Ergebnis reicht die Rente im Jahr 2030 nicht einmal aus, um die Miete zu bezahlen. Bei Immobilienbesitzern steigen analog dazu die Unterhaltskosten für das Immobilieneigentum.“
AJ: „Wir stehen also kurz davor, gegen die Wand zu fahren. Wie gehen die Bundesbürger damit um?“
TV: „Abhängig von der persönlichen und finanziellen Situation des Einzelnen gibt es hierbei große Unterschiede. Deswegen will ich bei der Beantwortung der Frage grundsätzlich nicht pauschalieren. Was unsere Berater jedoch feststellen, ist, dass viele Bundesbürger das Problem der Armutsrente immer noch weit von sich schieben oder sogar komplett ignorieren. Den wenigsten Bundesbürgern ist bewusst, dass nicht nur Geringverdiener, sondern auch Durchschnittsverdiener mit einem Einkommen zwischen 2.500 und 3.000 von der Armutsrente betroffen sein werden. Generell muss man feststellen, dass die Deutschen fürs Alter zu wenig sparen, die Vorsorgebereitschaft ist regelrecht gelähmt. Das ist vor allem bei der Altersgruppe der unter 40-Jährigen so. Rückt der Renteneintritt dann näher, kommt nach und nach ein mulmiges Gefühl auf. Das Problem der Altersarmut wird der Personengruppe, die in 10 oder 15 Jahren in Rente gehen wird, immer bewusster. Dennoch hoffen viele darauf, dass der Staat das Problem schon irgendwie lösen wird. Je älter die Menschen werden, umso weniger haben sie das Gefühl ihre finanzielle Zukunft im Griff zu haben. Die seit Jahren anhaltend niedrigen Zinsen schrecken die Bürger zusätzlich ab, Verträge für die Altersvorsorge abzuschließen.“
AJ: „Fakt ist doch aber, dass nahezu jeder zweite Neurentner ab 2030 von der Armutsrente betroffen ist. Warum hofft die Mehrzahl der Bürger dann immer noch?“
TV: „Ja, das stimmt. 90 % der Menschen glauben fest daran, dass nur die „Anderen“ betroffen sind. Die Rechnung kann aber so nicht aufgehen. Diese Ignoranz liegt meiner Meinung nach daran, dass es den meisten Rentnern in unserem persönlichen Umfeld heute doch verhältnismäßig gut geht. Das sehen die Menschen und sie glauben, dass dies auch in der Zukunft so bleiben wird. Sie sind nicht direkt davon betroffen, das Problembewusstsein ist sehr niedrig. Dazu ein anderes Beispiel: Die Zahl der Demenzkranken steigt weltweit immer stärker an. Eine Krankheit mit schlimmen Folgen, auch für die Angehörigen des Erkrankten. Wir alle wissen das. Solange es uns nicht direkt tangiert, bleibt die Wahrnehmung oberflächlich. Wie würde sich das verändern, wenn Sie plötzlich einen Angehörigen mit Altersdemenz im persönlichen Umfeld hätten? Sie würden sich plötzlich ganz anders mit dieser Krankheit und deren Folgen auseinandersetzen. Sie sind dann direkt davon betroffen und Ihr Bewusstsein dafür wird viel stärker. Ähnlich ist es auch bei der Altersarmut. Wir kennen das Problem, doch solange es uns nicht direkt betrifft, ist unser Interesse dafür sehr begrenzt. Mit etwas Aufmerksamkeit wird die Altersarmut inzwischen auch in der Öffentlichkeit immer häufiger sichtbar. Gehen Sie nur einmal mit offenen Augen durch unsere Städte. Mit großer
Wahrscheinlichkeit werden Sie auf einen Flaschensammler treffen, der die Abfalleimer oder den Sperrmüll nach Pfandflaschen durchsucht. Waren das vor ein paar Jahren noch Obdachlose, die ums Überleben kämpften, so sind es heute immer mehr Rentner, die ihre Armutsrente aufbessern müssen.“
AJ: „Warum wurden von staatlicher Seite aus in der Vergangenheit keine Reformen
Eugenia Schmidt
Institut für strategische Investmentberatung (isi) Investmentresearch GmbH & Co. KG
eugenia.schmidt@isi24.de