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Der Widerstand, der sich gerade bundesweit unter den Theologie-Professor_innen, Bischöfen und Seelsorger_innen gegen das Segnungsverbot gleichgeschlechtlicher Paare auftut, sei ein Zeichen dafür, dass die katholische Kirche erwachsen wird. Darin waren sich die Referent_innen der online gut besuchten Ringvorlesung „Welt im Wandel – Kirche im Stillstand?“ der Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen (katho) am 29. März einig.
„Gerade erleben wir den Umbau von Rollen in der katholischen Kirche“, sagte Prof. Dr. Julia Knop von der Katholisch Theologischen Fakultät an der Universität Erfurt. Das zeige sich darin, dass die in der Kirche Tätigen gleichgeschlechtliche Paare trotz Verbots segnen, an ihren Gotteshäusern Regenbogenfahnen hissen und Protestbriefe unterzeichnen. „Katholisch wäre es, Multiperspektivität in konsensfähige Lösungen zu verwandeln“, meinte Knop in ihrem Vortrag. Stattdessen behandle die Glaubenskongregation das Segnungsthema als Machtfrage und messe Liebe mit zweierlei Maß. Mit Blick auf die sinkende Zahl von Theologie-Studierenden befand sie: „Das Problem ist nicht das fehlende Interesse, sondern es sind die fehlenden Möglichkeiten.“ Das Weihamt werde oft abgelehnt, da es mit dem Zölibat einhergehe und das männliche Geschlecht voraussetze. Knop: „Geschlechtergerechtigkeit ist heute unter Studierenden die Frage schlechthin, an der sich die Kirche messen lassen muss.“
Hinter diese Feststellung konnte sich auch Hannelore Bartscherer stellen, die von 1998 bis 2018 Vorsitzende des Katholikenausschusses Köln war und die bis heute engagiert reformwillige Katholik_innen vertritt. Bereits in den vergangenen Jahrzehnten, erinnerte sich Bartscherer, gab es strittige Themen wie die Verhütung per Pille, Sex vor der Ehe oder das erfolglose Ringen in der Schwangerschaftskonfliktberatung, bei denen Ehrenamtliche nicht Erfüllungsgehilfen bleiben wollten, sondern Mitbestimmung forderten. Als das Erzbistum Köln nach anstrengenden Dialogen 1996 entschied, alles solle so bleiben, wie es ist, kehrten viele Katholik_innen der Kirche den Rücken. Auch heute befinde sich die katholische Kirche in der Krise, ausgelöst durch ihren verheerenden Umgang mit eigener Schuld, die die Basis fassungslos mit einer Mischung aus Scham und Wut zurücklasse: „Kirchliche Reden und kirchliches Handeln stehen im Widerspruch – dem Klerus ist die Glaubwürdigkeit abhandengekommen“, stellte Bartscherer in ihrem Vortrag fest. „Wer heute in der katholischen Kirche bleibt, tut es bewusster als früher.“ Sie sei keine Freundin der ‚kleinen Herde‘, sie sieht darin aber die letzte Chance der katholischen Kirche auf notwendige Veränderungen.
Angesichts der Konflikte zu moralischen Fragen verwies Dr. Bruno Kurth, Stadtdechant im Stadtdekanat Wuppertal, auf Papst Franziskus: Dieser sehe die Aufgabe der Kirche darin, das Gewissen der Menschen zu bilden und zu schärfen, aber nicht darin, das Gewissen der Menschen zu ersetzen. „Doch das Gewissen ist das Organ, das sich nur in Freiheit bilden und lebendig sein kann“, so Kurth in seiner Rede. „Der Wandel der Kirche in Deutschland beschleunigt sich, und vielleicht ist es die Ironie der Geschichte, dass die Verantwortlichen selbst diesen Prozess antreiben.“ Als Beispiel dafür, dass eine positive Veränderung aus der Mitte der Gesellschaft heraus gelingen kann, nannte der Seelsorger die Fridays for Future-Bewegung: Diese werde nachhaltigen Erfolg haben, weil die Gesellschaft dahinterstehe. Deshalb sei auch der Anstoß des Papstes nicht zu unterschätzen: „Allerdings erreicht Greta Thunberg unter den jungen Menschen mehr Katholiken als der Papst.“
Die nächsten Termine der Ringvorlesung: