Ritalin ist ein Medikament, das immer wieder für hitzige Diskussionen sorgt. Viel zu oft wird es verschrieben und macht Kinder abhängig, sagen die einen. Andere vertreten den Standpunkt, dass es noch viel häufiger gegeben werden sollte, und zwar auch bei leichten Formen von ADHS, wo man bisher auf Gesprächs- und Verhaltenstherapien setzt.
Der Wirkstoff, der in Ritalin enthalten ist, trägt den sperrigen Namen „Methylphenidat“. Bekannt ist die Substanz, die aus chemischer Sicht eng mit den Amphetaminen verwandt ist, schon lange. 1944 wurde sie in den Labors der Firma Ciba in der Schweiz entwickelt. Unter dem Markennamen Ritalin kam sie 1954 in Deutschland, Österreich und der Schweiz auf den Markt und wenig später auch in den Vereinigten Staaten. Zur Behandlung verschiedener Verhaltensstörungen wurde Ritalin gelegentlich verschrieben, doch der große Durchbruch war ihm erst in den 1980er-Jahren vergönnt. Dachte man bis dahin, dass Hyperaktivität und Konzentrationsschwäche bei Kindern auf organische Gehirnleiden zurückzuführen wären, setzte sich zu dieser Zeit die Erkenntnis durch, dass der wahre Grund in einer krankhaft veränderten Verteilung von Botenstoffen im Gehirn zu suchen ist. Genau an diesem Punkt kommt Ritalin ins Spiel: das Medikament verändert den Neurotransmitter-Haushalt dahingehend, dass hyperaktive und unaufmerksame Kinder wieder in der Lage sind, ihren (Schul-)Alltag weitgehend beeinträchtigungsfrei zu bewältigen.
In den 1990er-Jahren und zu Beginn des 21. Jahrhunderts kam es zu einem regelrechten Boom. Immer häufiger wurde bei zappeligen Kindern eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung (ADHS) diagnostiziert und immer mehr von ihnen erhielten Ritalin. Schon früh merkten Kritiker an, dass Verschreibungen oft zu voreilig erteilt werden. Nicht jedes Kind, das Probleme mit Aufmerksamkeit, Impulsivität und Selbstregulation aufweist, bedarf einer medikamentösen Therapie. Oft liegen ganz andere Probleme vor, die mit milderen Medikamenten oder ganz ohne pharmakologische Hilfe behandelbar wären. Da aber die Feststellung und Bestimmung solcher Störungen sehr mühsam ist entwickelte sich ADHS zu einer Art Verlegenheitsdiagnose. Schnell nahm die Zahl der Ritalin-Verschreibungen ungeahnte Dimensionen an.
Um 2010 setzte ein Umdenken ein. Immer mehr Ärzte griffen nun wieder verstärkt auf andere Therapieformen zurück und verschrieben Ritalin nur noch bei schweren Ausprägungsformen von ADHS. Dies scheint sich mit der S3-Leitlinie von 2018 zur Behandlung von ADHS wieder zu ändern. Es wird empfohlen, bereites bei mittelschwerer ADHS Psychopharmaka zu verschreiben. Studien haben gezeigt, dass es den Betroffenen damit schnell besser geht. Kritiker befürchten hingegen, dass es durch die neue Leitlinie erneut zu einer Ritalin-Schwemme kommen könnte.
Die Diskussionen zwischen Ritalin-Befürwortern und Gegnern werden sich wohl bis auf weiteres fortsetzen. Die Neben- und Langzeitfolgen der Medikation sind durchaus ernst zu nehmen, auf der anderen Seite darf jedoch nicht außer Acht gelassen werden, dass auf den von ADHS betroffenen Kindern ein enormer Leidensdruck lastet, der durch einen vernünftigen und auf den individuellen Fall abgestimmten Therapieplan, der auch Medikamente wie Ritalin beinhaltet, meist rasch nachlässt.
Quelle: ADHS-Leitlinie sorgt für neue Diskussionen um Ritalin
Boipelo Marti
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