Mo. Jul 1st, 2024

Bad Saulgau (ots) –

Reduzierte zwischenmenschliche Kontakte, veränderte Tagesstrukturen im Homeoffice, fehlendes soziales Verbundenheitsgefühl und zunehmende Isolation bringen viele Menschen derzeit aus dem Gleichgewicht. Stresserkrankungen wie Angststörungen und Depressionen nehmen zu, wie internationale Studien wie die aktuelle Lancet-Studie zu Depressionen und Angststörungen seit der COVID-19-Pandemie aufzeigen. “Corona bringt bestimmte Dinge jetzt zum Kochen”, so Dr. med. Gerhard Schell, Ärztlicher Direktor der Akutklinik Bad Saulgau, zu der aktuellen Situation. Auch in der Klinik ist der Anteil an Patientinnen und Patienten mit akuten Depressionen und Angststörungen seit der COVID-19-Pandemie um rund ein Viertel angestiegen. “Jeder Einzelne ist jetzt gefordert, sich mit seiner individuellen seelischen und gesellschaftlich-sozialen Lage auseinanderzusetzen”, erklärt der Psychoanalytiker. Seine Empfehlung: “Warten Sie nicht zu lange mit dem Gang zum Arzt oder Psychotherapeuten, sonst können schwere Verläufe oder Chronifizierungen einer Depressionserkrankung die Folge sein.”

Unter Ängsten, Sorgen und Niedergeschlagenheit leiden derzeit viele, hervorgerufen durch die Einschränkungen und Entbehrungen in der Pandemie. “Einem Großteil der Menschen fällt es schwer, die Ungewissheit auszuhalten”, so Dr. Schell. “Durch die COVID-19-Pandemie können zudem alte Ängste wieder hervorgerufen werden”, erläutert der Arzt. Ein Beispiel hierfür ist die pandemiebedingte Tendenz zur Isolation, welche bei vielen jetzt alte Erfahrungen von Alleinsein und Verlassenheit aus der Kindheit wieder hervorruft. “Hier kommen bei zahlreichen Erwachsenen Kindheitstraumata in verschiedenen Ausprägungen hoch”, so der Psychotherapeut.

Früherkennung begünstigt Heilungsprozess

Professionelle Hilfe kann für viele sinnvoll sein, um nicht unnötig zu leiden. Dr. Schell rät Patientinnen und Patienten, sich besonders in der jetzigen Situation den Herausforderungen zu stellen und auch bereits bei ersten Anzeichen ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Je früher der Behandlungsbeginn erfolgt, desto besser für den Erkrankten. Der Experte stellt fest: “Stresserkrankungen werden oft zu spät erkannt.” Dadurch werden bestimmte Behandlungsbilder wie Depressionen und Angststörungen oft zu spät behandelt, was sich wiederum negativ auf die Heilung auswirken kann. “Das frühzeitige Aufsuchen professioneller Hilfe kann entscheidend sein”, so Dr. Schell.

Erkennen der Symptome von Depression und Angststörung

Bei Depressionen oder Angststörungen wirken meist viele Faktoren aus dem körperlichen, seelischen und sozialen Bereich zusammen. Besonders durch die Isolation kommen bestimmte Symptome und Anzeichen oft wenig bemerkt daher. Daher sei es immer sinnvoll, regelmäßig mit Angehörigen oder Freunden zu sprechen und Befindlichkeiten auszutauschen, so Dr. Schell. “Der Mensch ist ein soziales Wesen und somit auf die Mitmenschen programmiert.” Zur Diagnose einer Depression müssen für den Arzt zwei sogenannte Hauptsymptome und meist zwei Zusatzsymptome erkennbar sein, unter denen die Patientin oder der Patient über einen Zeitraum von mindestens zwei Wochen leidet. Unter den Hauptsymptomen versteht man eine depressive Stimmung, Verlust von Interesse und Freude sowie verminderten Antrieb. Zu den Nebensymptomen zählen Schlafstörungen, Appetitlosigkeit, Gefühle von Schuld und Wertlosigkeit, vermindertes Selbstwertgefühl und ein negativer Blick auf die Zukunft. “Die Dauer, Intensität sowie die Quantität der Symptome ist bei Depressionen von entscheidender Bedeutung”, erläutert Dr. Schell.

Long-COVID

Bei einem Teil der von COVID-19 genesenen Personen verbleiben weiterhin neuropsychologische Symptome wie Konzentrationsschwäche, Schwindel, Müdigkeit, Erschöpfung und verminderte Leistungsfähigkeit, bis hin zum chronischen Erschöpfungssyndrom. Des Weiteren können psychologische Begleiterscheinungen wie Depressionen und Angststörungen als Spätfolgen mit der Erkrankung verbunden sein. “Die verbleibenden Post-COVID-Symptome können miteinander verbunden zu einem anhaltenden Krankheitsgefühl beitragen, welches wiederum auf die Psyche schlägt”, erklärt Dr. Schell. “Andere körperliche postpandemische Krankheitsbilder wie beispielsweise Magenprobleme oder Herzschädigungen können ebenfalls zu einer psychischen Erkrankung beitragen. Es empfiehlt sich in jedem Fall, zur Abklärung der Symptome einen Arzt aufzusuchen”, so der Experte.

Der Weg zum Spezialisten

Viele Menschen fühlen sich von Zeit zu Zeit unter Stress, besonders seit der Pandemiezeit. “Erst jedoch, wenn Sie durch körperliche oder seelische Umstände aus dem Gleichgewicht geraten und dieses nicht selbst regulieren können, dann ist professionelle Hilfe entscheidend”, erklärt der Psychoanalytiker. Oftmals spielt das Unbewusste eine Rolle. Um sich den Ursachen einer körperlichen oder seelischen Störung zuwenden zu können, kann somit neben dem Willen zur Veränderung eine professionelle Hilfestellung einen entscheidenden Beitrag leisten. Wichtig ist eine frühzeitige Abklärung, die zunächst beim Hausarzt erfolgen kann, so dass die individuell richtigen Schritte eingeleitet werden können. Manchmal liegt die Ursache für depressive Verstimmungen auch im Körper, wie beispielsweise bei einer Schilddrüsenfehlfunktion, welche durch Hormone reguliert werden kann. Über den Hausarzt ist bei Anzeichen von Depression und Angststörung eine Überweisung zum Psychotherapeuten möglich.

Pressemitteilung teilen:
Laura Jahn

Von Laura

Schreibe einen Kommentar