Wenn der Herbst ins Land zieht und die Blätter von den Bäumen fallen, träumt so manch einer davon, in den warmen Süden auszuwandern. Nicht ohne Humor erzählt die Autorin in ihrer Biografie, wie sich manche Träume in Nebel auflösen und andere sich durchaus erfüllen können.
Endstation Anatolien
Auswandern? Mit fast vierzig Jahren und zwei schulpflichtigen Töchtern? Und noch dazu in den Orient?
Christine Erdic hat es gewagt!
Das Morgenland lockt mit bunten Basaren, leuchtenden Farben, einem unvergleichlich blauen Himmel und geheimnisvollen mondbeschienenen Nächten. Doch wie ist das wirkliche Leben hinter dem Schleier der Illusionen?
Ein Buch, das das Leben schrieb!
Jetzt als Print- und E-book im Handel!
ISBN-13: 978-3752897111
Leseprobe
Als ich die Türkei zum ersten Mal besuchte, war es Sommer, und die Temperaturen kletterten leicht schon mal über die 40-Grad-Grenze. Mir war das recht, denn ich war und bin eine Sonnenanbeterin und durchaus tropentauglich, wie ein Aufenthalt an der kenianischen Küste in den 80ern mir bestätigte.
Der Winter kam früh in jenem Jahr. Anfang Oktober – meine Eltern hatten uns besucht und waren gerade wieder fort – entdeckte ich eines Morgens doch tatsächlich eine mit Eis überzogene Pfütze, als ich mich auf dem Weg zum Zahnarzt in die Uniklinik befand.
Nur wer schon einmal einen Winter in Izmir verbracht hat, kennt die eisigen Balkan-Winde, die manchmal über die ungeschützte, nach Nordwesten hin offene Bucht fegen. Nun hatten wir wohl Zentralheizung in der Wohnung, aber leider bezahlten viele Mieter oder Eigentümer die Umlagen nicht, und so blieb die Heizung eben aus. Natürlich wurde es schnell unbehaglich kalt in den Räumen, denn damals waren die türkischen Häuser nicht isoliert. Man hatte gebaut, als ob es ewig Sommer bleiben würde.
Güldi war ein quirliges und widerstandsfähiges Kind und blieb vielleicht dadurch verschont, doch ich bekam eine fürchterliche Magen- und Darmgrippe, begleitet von heftigem Schüttelfrost. Wenn das Wetter so eisig ist, geht garantiert ein Virus um, und mein Körper war ohnehin unterkühlt. Schon zu meiner Kindheit war der Winter meine kritische Zeit.
Normalerweise folgen auf drei oder vier kalte, trockene Tage ein bis zwei regenreiche und milde Wochen in Izmir. Nicht so in jenem Jahr. Es blieb eisig bis weit in den März hinein. Die Grippe war besiegt, doch das Unbehagen blieb – bis wir in unsere inzwischen fertiggestellte, eigene Wohnung wechselten.
Hier wurde nicht mit Öl sondern mit günstiger Kohle geheizt – das bedeutete, dass unten im Keller vom kapıcı – Hausmeister ein großer Ofen mit Kohle gespeist wurde, der das Wasser für die Heizkörper des ganzen Hauses erhitzte. Jetzt musste ich mich nicht mehr über Kälte beklagen. Im Gegenteil: Da auch gezahlt werden musste, wenn man die Heizung in der Wohnung ausdrehte – es gab keine Zähler für die Wohnungen und keine Thermostate – tat das natürlich niemand. Es wurde von November bis Ende März geheizt und basta! Großes Gelächter gab es jedes Mal, wenn einem von uns zu heiß wurde und er mitten im Winter plötzlich im Unterhemd dasaß. Vor allem Schwiegermutter litt sehr unter der Hitze bei uns.
Wir wohnten im dritten Stock und hatten einen Fahrstuhl, der auf jeder Etage eine lustige Melodie spielte. Direkte Nachbarn auf unserer Etage gab es nicht, denn jede Wohnung ging über das ganze Stockwerk.
Bei jedem Windzug klapperten unsere Außen-Jalousien, die Schienen waren einfach ohne Gummidichtung montiert worden. Bei der näheren Untersuchung stellte ich frustriert fest, dass die Kästen oben auch nicht richtig geschlossen waren. Doch das waren kleinere Probleme, die sich beheben ließen. Weniger schön war, dass die Wohnung kaum Sonne bekam. Der Nordbalkon vor der riesigen Stube – hier Salon genannt – lag stets im Schatten. Im Osten, Süden und Westen verhinderten andere Häuser erfolgreich das Eindringen jeglicher Sonnenstrahlen, was dazu führte, dass ich die Nachmittage fast immer mit Güldi im nahegelegenen Park verbrachte – sehr zu ihrem Vergnügen, denn sie liebte den Spielplatz dort. Ich hatte Gelegenheit, mich auf einer Bank mit anderen Müttern auszutauschen, und meine Tochter war gegen 18 Uhr eine der letzten, die noch immer begeistert die Rutsche hinunterdüsten. Doch dann wurde es höchste Zeit, das Abendessen zu bereiten, bevor Hugo nach Hause kam.
Gegessen wurde in der winzigen Küche, in die der Tisch gerade mal so hinein passte. Das Mahl hatte ich zuvor auf dem Herd, der an eine Propangasflasche angeschlossen war, zubereitet. Damals gab es keine anderen Möglichkeiten. Da ich von Deutschland Erdgas gewohnt war, war das eine ganz neue Situation für mich, die mich manchmal schon vor Probleme stellte. Erstes Alarmzeichen war ein plötzlich auftretender strenger Gasgeruch. Jetzt sollte man den Herd besser ausstellen und Aygaz oder Ipragaz anrufen. Ich dachte mir beim ersten Mal noch nichts dabei, bis ich merkte, dass das Essen nicht mehr kochte, weil die Flamme ausgegangen war …
©byChristine Erdic
Firmeninformation
Die deutsche Buchautorin Christine Erdic lebt zur Zeit hauptsächlich in der Türkei.
Beruflich unterrichtet sie in der Türkei Deutsch für Schüler (Nachhilfe), sie gab
Sprachtraining an der Uni und machte Übersetzungen für türkische Zeitungen.
Christine Erdic
35050 Izmir
Türkei
indiansummer_61@hotmail.com
http://christineerdic.jimdo.com