Was ist passiert?
Im vorliegenden Fall wohnte die zu Pflegende beim Sohn in dessen Wohnung. Die Fortbewegung innerhalb der Wohnung und außerhalb konnte sie nicht mehr selbst bewältigen, Treppensteigen war nur mit Unterstützung möglich und auch bei der Körperhygiene benötigte sie kleinschrittige Anweisungen. Es wurde eine multifunktionelle Störung des Ganges festgestellt und eine Mobilitätseinschränkung des linken Armes. Ferner wurden eine Harninkontinenz und eine partielle Stuhlinkontinenz festgestellt. Eine Versorgung durch den Sohn und einen lokalen Pflegedienst konnte die Sicherheit während des gesamten Tages nicht weiter gewährleisten weshalb sich der Sohn zu einem stationären Aufenthalt für seine Mutter in einem grenznahen Pflegeheim in Tschechien entschied.
Wie so oft in solchen Fällen verlies die Seniorin nur ungern die Wohnung um in ein Pflegeheim zu ziehen und brachte ihren Unmut über diese Entscheidung auch zum Ausdruck indem sie eine Seelsorge anrief und sich beschwerte sie wäre in diesem Pflegeheim eingesperrt und können nicht raus. Der Mitarbeiter der Seelsorge hat aufgrund dieses Anrufs dann eine Lawine losgetreten, die damit begann, dass innerhalb von Stunden der Sohn als Betreuer vom deutschen Gericht abberufen wurde und ein neuer Betreuer eingesetzt wurde, der, das sei hier auch noch erwähnt keinerlei verwandschaftliche Beziehung zur Seniorin hatte. Mit dem Sohn wurde über den Anruf nicht gesprochen, er wurde nicht gehört aber als Betreuer abberufen.
Die neue Betreuerin machte sich dann auf den Weg ins Pflegeheim nach Tschechien mit der Absicht die Seniorin dort zu „befreien“. Das Personal des Pflegeheims in Tschechien hat ihr dann den Zutritt verweigert (Gründe siehe untenstehed).
So gut ich ja verstehe, dass Hilfsorganisationen solche Anrufe ernst nehmen und aktiv werden wurde hier doch wohl etwas übereilt gehandelt. Ein gemeinsamer Besuch im Pflegeheim, zusammen mit dem als Betreuer eingesetzten Sohn, hätte für Transparenz sorgen können und die Argumentation der Seniorin schnell ad absurdum geführt weil keine Türen in diesem Pflegeheim verschlossen sind und die BewohnerINNEN auch immer die Möglichkeit das Atrium im Freien aufzusuchen. Außerdem hätte dann schnell auch festgestellt werden können, dass die Seniorin alleine gar nicht ohne Sicherheitsrisiko in der Lage war solche Wege selbständig zu absolvieren.
Dass das deutsche Gericht, ebenfalls ohne Anhörung des Sohnes, als einzigen Nachkommen, die Betreuung widerrufen und eine völlig fremde Person als Betreuerin eingesetzt hat mag ich auch nicht so richtig verstehen. Im Antrag an das Gericht wurde von Gefahr für Leib und Leben gesprochen.
Die rechtliche Situation
Immer wieder kommt es zu unterschiedlichen Auffassungen welches Gericht bei einem Umzug zuständig ist, das Gericht am Heimatort oder das Gericht im Gaststaat.
Die Prinzipien der internationalen Zuständigkeit für Betreuungsverfahren, bzw. in Österreich den Sachwalterschaftsverfahren, regelt das Haager Abkommen über den internationalen Schutz von Erwachsenen vom Jahr 2000. Dieses Abkommen wurde unter anderem von Deutschland, Österreich und Tschechien abgeschlossen. Die Slowakei hat dieses Abkommen dagegen nicht ratifiziert. Für deutsche und österreichische Staatsbürger gilt auch bei einem dauerhaften Umzug in die Slowakei die Gerichtsbarkeit des Heimaltlandes.
Dagegen sind die Regeln des Haager Abkommens über den internationalen Schutz von Erwachsenen vom Jahr 2000 für die Betroffenen in der Tschechischen Republik anwendbar. Der Artikel 5 Absatz 2 des Abkommens bestimmt, dass bei einem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts in einen anderen Vertragsstaat die Behörden des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts zuständig sind. Der gewöhnliche Aufenthalt einer Person ist an dem Ort, an dem die Person ihren tatsächlichen Lebensmittelpunkt hat. Bei einem Aufenthalt in einem Pflegeheim in der Tschechischen Republik sind also die Gerichte in Tschechien zuständig.
Die vorher getroffenen Schutzmaßnahmen bleiben dabei bestehen, bis sie von der nunmehr zuständigen Behörde geändert oder aufgehoben werden.
Nach dem Wechsel des gewöhnlichen Aufenthalts, zum Beispiel in ein Seniorenheim nach Tschechien entfällt die bisherige Zuständigkeit der Gerichte und Behörden im Heimatland und fortan sind die Behörden und Gerichte in Tschechien zuständig.
Der Sohn hat übrigens ordnungsgemäß einen Antrag auf Betreuung beim zuständigen Amtsgericht in Tschechien gestellt. Außerdem hat er seine Mutter danach besucht und diese hat dann dass klar zum Ausdruck gebracht, dass der Sohn weiterhin ihr Betreuer sein solle.
Jetzt bin ich mal gespannt wie die deutsche und die tschechische Justiz diesen Fall entscheiden.
Nach dem Haager Abkommen müsste ja eigentlich alles klar sein.
Aber vor Gericht ist es wie auf hoher See. Man befindet sich in Gottes Hand.
Autor: Artur Frank – Seniorpalace