Oftmals fließen eigene Erlebnisse in eine Geschichte ein, manchmal bilden sie sogar die Grundlage für eine Story. So ist es auch bei dieser. Der Protagonist ist ein kleiner vorwitziger Kobold, der schon vielen Kindern und auch einigen Erwachsenen wohl bekannt ist. Ende der Siebziger (es gab zu jener Zeit noch keine Handys) nahm die Autorin an einer Klassenfahrt nach Paris teil. An einem Nachmittag hatten sich alle gemütlich in einem Café versammelt, als sie plötzlich Appetit auf Crêpes bekam. Im Café gab es keine – und so machte sie sich allein auf den Weg durch die unbekannte Stadt. Doch nirgends waren die begehrten hauchdünnen Pfannkuchen zu finden, eben so wenig wie der Weg zurück zum Café. Enttäuscht kam Christine immer wieder am Eiffelturm raus, wo die Mitschüler, die sich schon Sorgen gemacht hatten, sie schließlich fanden.
Leseprobe aus MIT NEPOMUCK AUF WELTREISE
Ein Kobold in Paris
„Ich habe einen Bärenhunger“, bemerkt Nepomuck plötzlich. Claude späht suchend umher und zeigt dann auf ein kleines Spezialitätenrestaurant.
„Genau das Richtige! Dort bekommt Nepomuck Gelegenheit, in die französische Küche reinzuschnuppern.“
„Hilfe! Was ist denn das?!“ Entsetzt blickt der Kobold auf seinen Teller – mit Weinberg-schnecken. Nein, das kann er unmöglich essen! Hier sei es aber eine Delikatesse, also etwas ganz Besonderes, wird ihm erklärt.
„Haben Sie vielleicht etwas Einfaches für unseren Freund – eine Pizza oder etwas ähnliches?“, fragt Michelle den Ober höflich. Dieser nickt und serviert kurze Zeit später einen Teller mit kleinen Pizzastücken. Nepomuck greift zu, beißt herzhaft in eines der Stückchen, verzieht das Gesicht und spuckt in seine Serviette.
„Pfui! Die Pizza ist ja kalt und schmeckt außerdem ganz komisch!“, empört er sich.
„Das ist eine Thunfischpizza, Nepomuck“, lacht Claude.
„Ich hatte sogar schon mal eine mit Sardinen.“
Der hungrige Kobold knabbert unglücklich an einem Salatblatt.
„Kobolde essen nun einmal keinen Fisch. Gibt es denn nichts Süßes hier? Vielleicht Pfannkuchen?“, erkundigt er sich hoffnungsvoll.
Die Kinder schütteln den Kopf.
„Leider nicht. Aber am Ende der übernächsten Straße müsste es Crêpes geben.“
„Was sind Crêpes?“
„Sie sind ähnlich wie Pfannkuchen, nur ist der Teig dünner, und man kann aussuchen, was man darauf haben möchte: Marmelade, Schokolade, Schinken, Pilze oder Käse …“
„Das klingt schon besser! Am Ende der Straße, sagst du? Bin gleich wieder da!“ Ehe sich die kleinen Franzosen versehen, ist ihr Freund schon auf und davon.
Es verstreicht eine ganze Weile, doch Nepomuck taucht nicht wieder auf.
„Vielleicht hat er sich verlaufen“, sorgt sich Michelle.
„Ach was, der futtert sich erst durch alle Sorten von Crêpes“, beruhigt ihr Bruder sie. „Lass uns aber trotzdem mal hingehen. Vielleicht nehme ich auch noch einen Nachtisch!“
Gesagt, getan. Doch, oh weh! Der Crêpes-Laden ist geschlossen. Und keine Spur von Nepomuck!
„Wo ist er denn nur hin?“ Michelle kämpft mit den Tränen. Auch Claude bekommt jetzt Angst. Wo sollen sie ihn suchen in dieser großen Stadt? Langsam gehen sie weiter.
„Nepomuck wollte doch unbedingt den Eiffelturm sehen“, fällt Michelle auf einmal ein.
„Stimmt! Vielleicht ist er ja dort! Lass uns nachsehen!“ Claude knufft seine Schwester ein wenig derb. Nach einem ziemlich langen Fußmarsch stehen sie endlich auf dem großen Platz mit der gigantischen Stahlkonstruktion – dem Eiffelturm – dem Wahrzeichen von Paris.
Und da stolpern die Geschwister plötzlich beinahe über den Kobold, der auf dem Boden hockt und zum Eiffelturm hinaufstarrt.
„Nepomuck!“
„Ich gebe es auf!“ Der kleine Kerl hebt resigniert seine Hände. „Ich bin gelaufen und gelaufen. Nirgends gab es diese seltsamen Pfannkuchen. Jetzt bin ich schon ganz schwach vor Hunger. Euer Restaurant habe ich auch nicht wiedergefunden, dafür bin ich jetzt schon zum vierten Mal an diesem komischen Platz mit dem hässlichen Gebilde dort!“ Anklagend zeigt er auf den Eiffelturm.
„Aber Nepomuck, das ist doch der Eiffelturm, den du so gern sehen wolltest! Wir können mit dem Fahrstuhl hochfahren, zum Schluss sind allerdings noch Treppen zu steigen. Man hat von dort oben einen ganz tollen Blick über die Stadt.“ Claude mustert ihn fragend. „Na, was ist? Hast du Lust?“
Nepomuck rappelt sich hoch und schüttelt missmutig den Kopf, während er die lange Menschenschlange betrachtet, die sich vor dem Stahlgerüst an der Kasse gebildet hat.
„Vielleicht ein andermal.“ Enttäuschung schwingt in seiner Stimme mit. Das ist also der berühmte Eiffelturm …
„Ich habe eine viel bessere Idee!“, ruft Michelle und legt dem Freund tröstend den Arm um die Schultern. Erwartungsvoll blickt der kleine Kerl sie an.
„Wir gehen jetzt nach Hause, und ich backe uns einen ganzen Berg leckerer Crêpes. Es müsste auch noch ein Glas mit Heidelbeermarmelade vorrätig sein. Was meinst du, Nepomuck?“
Nepos Augen strahlen, er vollführt einen Freudensprung und will schon wieder vorauslaufen.
„Hiergeblieben!“ Claude packt ihn am Kragen. „Für heute hatten wir genug Aufregung.“
Das findet Nepomuck eigentlich auch, trottet also brav neben seinen Freunden her und leckt sich nur von Zeit zu Zeit in Vorfreude auf die Heidelbeermarmelade genießerisch die Lippen.
Mit Nepomuck auf Weltreise
ISBN-13: 978-3961112760
Gebundene Ausgabe: 140 Seiten
©byChristine Erdic
Firmeninformation
Die deutsche Buchautorin Christine Erdic lebt zur Zeit hauptsächlich in der Türkei.
Beruflich unterrichtet sie in der Türkei Deutsch für Schüler (Nachhilfe), sie gab
Sprachtraining an der Uni und machte Übersetzungen für türkische Zeitungen.
Mehr Infos unter Meine Bücher- und Koboldecke
https://christineerdic.jimdofree.com/
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Christine Erdic
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