Wenn einer eine Reise tut … dann hat er viel zu erzählen. So auch unser unternehmungslustiger Kobold Nepomuck. Doch lest selbst:
Bären, Lachs und Ahornsirup
Nepomuck stockt vor Aufregung der Atem: Das Bärenjunge ist jetzt ganz nahe, fast direkt vor ihm! Nepo meint, es sogar schon riechen zu können. Es ergeht dem kleinen Bären wohl ähnlich, denn er hebt den Kopf und starrt den Kobold aus seinen dunklen Knopfaugen neugierig an.
Nepomuck ärgert sich ein wenig, dem Bärenkind nichts anbieten zu können, aber es ist verboten Essbares mitzuführen, denn das könnte sehr gefährlich werden. Die Grizzlybären – mit einem Maximalgewicht von über 600 Kilogramm und einer Körpergröße von zwei bis drei Metern – würden mit ihrem feinen Geruchssinn Nahrungsmittel sofort wittern und danach suchen. So muss sich der ewig hungrige Koboldjunge also zwangsläufig schon seit zwei Stunden mit einer Flasche Wasser begnügen. Zumindest die ist erlaubt, weil Wasser geruchlos ist.
Im Westen Kanadas innerhalb des „Great Bear Rainforest“ fühlt man sich wie im Kino.
„Rainforest“ lautet der englische Begriff für „Regenwald“, hier herrschen ganzjährig milde Temperaturen zwischen 10 und 24 Grad – recht außergewöhnlich für Kanada.
Die riesigen Bären kümmern sich nicht weiter um die neugierigen Menschen, die sie aus nur 20 Metern Entfernung beim Lachsfang im Fluss beobachten. Sie haben sich inzwischen an diese zweibeinigen Besucher gewöhnt. Nepomucks Hand tastet hoffnungsvoll in seiner Hosentasche. Doch nicht einmal ein trockener Keks befindet sich heute darin.
„Wenn ich doch nur etwas Honig dabei hätte“, murmelt der Kobold enttäuscht. Der kleine Bär schaut ihn bittend an, so scheint es ihm. Sanft streichelt Nepomuck ihm mit der Hand über den Kopf.
„Ich habe leider gar nichts für dich“, bedauert er.
„Nepomuck!“ Oje, das ist Onkel Sam, dessen Stimme laut und wütend klingt. „Habe ich dir nicht gesagt: Keine Alleingänge! Hast du nicht begriffen, wie gefährlich das ist?!“
Onkel Sam arbeitet hier und führt Touristen durch das Gelände. Nepo hat so lange gebettelt, bis er schließlich mitkommen durfte.
Schon die Anreise per Wasserflugzeug zur „Great Bear Lodge“, die fest im Flusswasser verankert ist, war ein Erlebnis! „Es hat ja Kufen!“, begeisterte sich der Kobold. Onkel Sam hat ihm erklärt, dass das „Schwimmer“ sind, mit denen das Flugzeug problemlos auf dem Wasser aufsetzen kann.
Das Bärenkind sieht Nepomuck fragend an und wendet sich schließlich beleidigt ab.
Es ist schon recht groß, wenn man bedenkt, dass ein Neugeborenes – nicht viel größer als ein Meerschweinchen – nur 350 Gramm wiegt.
Nepomuck kann sich das gar nicht vorstellen, aber Onkel Sam behauptet das, und dann muss es wohl stimmen.
Das Bärenkind läuft tapsig auf das Flussufer zu, und Nepomuck entdeckt jetzt auch die Bärenmutter, die ihn wohl schon argwöhnisch beobachtet hat. Mit eingezogenem Kopf schleicht der Abenteurer zu der Menschengruppe zurück, die sich recht laut unterhält. Auch das sei wichtig, erklärte Sam ihnen zuvor: Man sollte sich möglichst natürlich benehmen, damit die Grizzlys sich nicht bedroht fühlen. Bären hassen Überraschungen, deshalb dürfe man sich nie anschleichen. Das könne ganz übel ausgehen, denn ein Schlag mit ihrer Pranke kann einen Menschen ernsthaft verletzen oder sogar töten. Nepomuck möchte sich gar nicht ausmalen, wie gefährlich diese braunen Riesen dann erst einem zarten kleinen Koboldjungen werden können.
Zerknirscht lässt er eine deftige Standpauke über sich ergehen. Onkel Sam ist im Recht, der Kobold mit Hang zu Alleingängen hat sich ja wirklich sehr leichtsinnig verhalten!
„Wie alt wird der kleine Bär wohl sein?“, wagt der Zurechtgewiesene schließlich zu fragen.
„Nun, Bärenkinder werden in der Winterzeit geboren und bleiben dann eine ganze Weile in der Höhle. Den ersten Monat verbringen sie auf dem Bauch ihrer Mutter. Die Kleinen sind sehr hilflos und öffnen erst nach einem Monat ihre Augen. Im Frühjahr verlassen sie erstmals gemeinsam mit der Mutter die Behausung und begleiten sie auf der Futtersuche und beim Jagen. Doch richtig selbstständig werden sie erst nach zwei Jahren.“
„Jetzt ist Sommer, dann ist der kleine Bär gerade einmal ein halbes Jahr alt“, überlegt Nepomuck. „Ich hätte ihn gern gefüttert.“
Onkel Sam schüttelt den Kopf.
„Er wird noch von seiner Mutter gesäugt und trinkt nur Milch.“
„Was fressen Grizzlybären eigentlich? Ich meine, wenn sie nicht mehr gesäugt werden?“
„Nun, meist das, was andere Bären auch fressen: Ameisen, Insektenlarven, Raupen, kleine Säugetiere, Nüsse, Beeren, Pilze, Eicheln, Bucheckern und Wurzeln. Sie verzehren so ziemlich alles, was sie finden können.“
„Und Honig!“
„Ja, auch Honig. Dafür nehmen sie sogar die Stiche der wütenden Bienen in Kauf“, schmunzelt Onkel Sam. Nepo kann die Bären gut verstehen, er ist ja selbst ein Leckermäulchen.
„Und nun komm etwas näher zur Flussbiegung, dann siehst du, was sie außerdem sehr gern mögen. Es ist sogar eine richtige Delikatesse für sie.“
Nepomuck ist schon sehr gespannt. Fasziniert schaut er zu, wie die ausgewachsenen Bären große Lachse in dem Fluss fangen und sie geräuschvoll verzehren. Sie füttern sogar ihre etwas größeren Jungen damit. Na ja, solange nicht Nepomuck den Fisch essen muss, ist das für ihn in Ordnung. Da ist auch der kleine Bär wieder! Er sitzt an der Seite seiner Mutter und beschäftigt sich mit lustigen Übungen. Dabei streckt er die kurzen dicken Beinchen in die Luft und berührt die Füße mit seinen Pranken.
Nepomuck muss lachen: ‚Es sieht aber auch gar zu drollig aus, wie der kleine Bär auf seinem
dicken Po balanciert und dabei versucht, das Gleichgewicht zu halten!‘
Aber dann ist der Kobold doch ganz froh, als Onkel Sam ihm zuruft:
„Komm Nepomuck, Feierabend, ich habe Hunger! Was hältst du von einem saftigen Stück Lachs?“, schmunzelt er dann augenzwinkernd.
„Nein, nein, nein! Lieber Pfannkuchen mit Ahornsirup“, antwortet Nepomuck gut gelaunt. Ahornsirup ist nämlich eine süße Spezialität, die schon die nordamerikanischen Indianer kannten, und das Ahornblatt schmückt sogar die kanadische Flagge. Schmatzend erinnert sich der Kobold an eine ganz besonders wohlschmeckende Leckerei. Dafür wird eine heiße Ahornsirup-Butter-Mischung auf Schnee gegossen – und dann mit einem Stöckchen aufgerollt: fertig ist der Lutscher!
Aus dem Buch
„Mit Nepomuck auf Weltreise”
Wie funktioniert eigentlich ein Heißluftballon, und wie leben die Eskimos heute? Was passiert, wenn ein norwegischer Kobold auf einen irischen Leprechaun trifft, und was kann man im Karina-Verlag so alles anstellen? Begleitet den lustigen Kobold Nepomuck auf seinen Reisen durch Europa, Asien, Amerika, Afrika und Australien und lernt Menschen, Tiere und verschiedene Kulturen hautnah kennen. Folgt ihm auf den Spuren der Hobbits, und werft mit ihm seinen ersten Bumerang. Die tollsten Abenteuer warten auf euch, denn wo Nepomuck sein Unwesen treibt, da wird es nie langweilig!
ISBN-13 : 978-3755717102
©byChristine Erdic
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Die deutsche Buchautorin Christine Erdic lebt zur Zeit hauptsächlich in der Türkei.
Beruflich unterrichtet sie in der Türkei Deutsch für Schüler (Nachhilfe), sie gab
Sprachtraining an der Uni und machte Übersetzungen für türkische Zeitungen.
Mehr Infos unter Meine Bücher- und Koboldecke
https://christineerdic.jimdofree.com/
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