Sa. Okt 5th, 2024

An Land wachsende Pflanzen besitzen Gene, die es ihnen ermöglichen, wertvolle Lipide mit nützlichen Pilzen auszutauschen / Diese Partnerschaft machte es Pflanzen vor Jahrmillionen überhaupt erst möglich, aus dem Süßwasser heraus das Land zu besiedeln

Eine seit langem bestehende Theorie geht davon aus, dass sich Pflanzen an Land nur entwickeln konnten, indem sie eine Symbiose mit Pilzen eingingen, die es beiden Organismen ermöglichte, Ressourcen zum gegenseitigen Nutzen auszutauschen. Eine internationale Forschungsgruppe hat diese Theorie nun bestätigt. Anhand der Untersuchung einer zu den Moosen gehörigen Lebermoos-Art zeigte das Team, dass zwischen der Pflanze und dem Pilz ein ähnlicher Lipidtransfer stattfindet, wie er bereits von Pflanzen mit Stängeln und Wurzeln – sogenannten Gefäßpflanzen – bekannt ist. Federführend bei der Studie waren Forscher:innen am Centre national de la recherche scientifique (CNRS) und an der Université de Toulouse III – Paul Sabatier in Zusammenarbeit mit dem Institut national de la recherche agronomique (INRA). Die Forschungsergebnisse sind am 21. Mai in der Fachzeitschrift Science erschienen. Professor Dr. Marcel Bucher vom Institut für Pflanzenwissenschaften und dem Exzellenzcluster für Pflanzenwissenschaften CEPLAS in Köln war an der Studie beteiligt. Seine Arbeitsgruppe steuerte am Anfang wichtige genetische Informationen und im weiteren Verlauf experimentelle Ergebnisse zum molekularen Mechanismus des symbiotischen Lipidaustauschs bei.

Vor etwa 450 Millionen Jahren verließen die ersten Pflanzen das Wasser, um an Land zu leben. Dazu mussten sie sich an die dort herrschende Trockenheit und Nährstoffknappheit anpassen. In den 1980er Jahren führte die Untersuchung von Fossilien zu der Hypothese, dass eine Symbiose zwischen Pflanzen und Pilzen diese pflanzliche Vegetation möglich gemacht hat. Frühere Studien haben die Existenz von Genen belegt, die für das reibungslose Funktionieren dieser Symbiose notwendig sind, insbesondere bei Gefäßpflanzen. In der aktuellen Studie hat das Forschungsteam die Bryophyten-Pflanze Marchantia paleacea untersucht, die einer sukkulenten Pflanze ähnelt, bei der diese Gene noch nicht untersucht worden waren. Die Validierung dieser vierzig Jahre alten Hypothese erlaubt es den Wissenschaftler:innen, ein Etappenstadium zu verstehen, das für die Entwicklung des Lebens auf der Erde entscheidend war.

Durch den Einsatz von CRISPR, einer Technik, die das präzise Abschneiden von DNA ermöglicht, modifizierte das Team ein Gen, bei dem sie vermuteten, dass es für die Symbiose verantwortlich ist. Wie bei Gefäßpflanzen führte die Unterbrechung des Lipidaustauschs zwischen Pflanze und Pilz auch bei der Lebermoospflanze zu einem Versagen der Symbiose. „Die Schönheit der Arbeit liegt in der Verwendung verschiedener komplementärer molekulargenetischer Ansätze, die gezeigt haben, dass dieses ‚Symbiose-Gen‘ für einen Schlüsselregulator, einen sogenannten Transkriptionsfaktor, kodiert, der direkt die Expression anderer wichtiger Symbiose-Gene reguliert“, sagt Professor Dr. Marcel Bucher. Diese Gene sind am Lipidstoffwechsel und -transport in den Zellen von M. paleacea beteiligt, was dazu führt, dass wertvoller Kohlenstoff aus dem photosynthetischen Pflanzenwirt in Form von Fettsäuren als Baustoff und Energiequelle an den Symbiosepartner Pilz übertragen wird.

Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass der gemeinsame Vorfahre des Lebermooses und der Gefäßpflanzen, der das trockene Land besiedelte, Lipide mit Pilzen ausgetauscht haben muss, so wie es die heutigen Pflanzen tun. Damit ist nach 450 Millionen Jahren eines der Geheimnisse der ersten Schritte des Lebens an Land endlich aufgeklärt.

Inhaltlicher Kontakt:

Professor Dr. Marcel Bucher

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