Mo. Mai 13th, 2024

Der Verfall des einzelnen Menschen, bzw. anders ausgedrückt der Verlust von Fähigkeiten, beginnt mal früher mal später aber er kommt mal mehr mal weniger ausgeprägt. Genauso wenig wie es die ewige Jugend gibt, existiert auch keine unendliche geistige und körperliche Frische.

Besonderes Augenmerk wollen wir hier den geistigen Einschränkungen im Alter widmen, der sogenannten Demenz.

Die Frage liegt nahe: Wie kann eine gute Betreuung und Pflege in einem Pflegeheim Tschechien bei Demenzerkrankten gelingen?

Die Antwort mag überraschen.

„Man wird ja wohl noch vergessen dürfen“ – das könnten viele SeniorenINNEN in unseren Seniorendomizilen in Tschechien wohl sagen, wenn sie von der Gesellschaft, von Ärzten, Angehörigen und der Umwelt ausgegrenzt werden und mit dem Stempel „dement“ versehen.
Wir tun uns schwer damit uns in die Welt eines Dementen zu begeben, wir schämen uns, wenn der Senior ausfallend wird in Gesellschaft, z.B. beim Einkaufen; wir sind traurig, wenn er uns nicht mehr erkennt; wir können es nicht nachvollziehen, wenn er nur noch aus seiner Zeit erzählt als Jugendlicher und junger Mensch; wir verstehen es nicht, wenn er noch Autofahren will obwohl er keinen Führerschein mehr hat, die Eltern besuchen will obwohl die schon seit 30 Jahren tot sind; wir sind schockiert, wenn er sich nicht mehr erkennt auf Bildern, die gerade mal 10 Jahre alt sind aber leuchtende Augen bekommt, wenn wir ihm Bilder zeigen aus seiner Jugend, seiner Hochzeit, seinem ersten Auto.

Es ist eine Tatsache, dass der dementielle Zustand ob mit oder ohne Medikamente abhängig ist von der Tagesform, auch vom Wetter beeinflusst ist und von der Laune des Seniors, von dem was er vor ein paar Minuten erlebt hat auch ob er unmittelbar vorher psychisch gestresst wurde. Psychischer Stress für einen Dementen ist allein schon eine offene Frage, die nicht simpel und einfach gestellt wurde. Er hat Probleme komplexere, nicht einfach gestellte Fragen zu verarbeiten und dieser Stress löst dann Antworten aus, die u.U. nichts mit der Frage zu tun haben. Natürlich spüren Senioren, dass ihre Antwort nicht passt, sie sehen an unserer Reaktion, dass wir enttäuscht sind, vielleicht darüber lächeln, Witze machen. Die Folge wird sein, dass ich dieser Senior mehr und mehr verschließt und dann nach einer Zeit seine verbale Kommunikation ganz einstellt. Nicht selten ist diese Reaktion von uns, dem nächsten Umfeld des/der Seniors/Seniorin, mitverursacht.

SeniorenINNEN mit verminderter geistiger Leistungsfähigkeit benötigen eine klare wiederkehrende Tagesstruktur und ein Umfeld, das mit Verständnis, Ruhe, einfach gestellten Fragen und kurzen Aufforderungen nicht überfordert.

Da kann es hilfreich sein, wenn das pflegende Personal nicht kommunikativ die deutsche Sprache spricht sondern sich die Deutschkenntnisse eher auf Worte und kurze Sätzen beschränken, die noch eher verstanden werden als lange Sätze, komplexere Fragen und Erklärungen, die der demente Senior nicht mehr verarbeiten kann und dann nervös wird, sich vielleicht zurückzieht oder gar aggressives Verhalten an den Tag legt.

Weniger Deutschkenntnisse sind also in der Betreuung von dementen Personen eher hilfreich als ein Problem. Die Leitungen der Altersheime in Tschechien haben das erkannt und stellen neben gut deutsch sprechenden Pflegerinnen und Krankenschwestern zunehmend auch solche ein, die nur wenig Deutschkenntnisse haben.

Es gibt keinen Weg zurück aus der Demenz, das sollte in der Fachwelt unbestritten sein. Ein einmal begonnener Abbau von geistigen Fähigkeiten lässt sich nicht umkehren. Im Bestfalle wird die Geschwindigkeit abgemildert, das Fortschreiten des geistigen Vermögens aber nicht.

Die Demenz selbst ist nicht therapierbar, einige Medikamente verheißen etwas Aufschub. Der Ansatz zur Hilfe kann aber über nichtdemente Menschen gelingen, die einen Umgang erlernen können, der den dementen Senior nicht stresst, ihn dort abholt wo er ich gerade befindet und sich in seine Welt begibt, in seine augenblickliche Situation, losgelöst von irgendeiner Erwartung.

Diesen Anspruch haben wir in den Pflegeheimen in Tschechien.

Den Senior/ die Seniorin versuchen zu verstehen, nicht zu korrigieren, wenn nicht die korrekten Worte gesprochen werden, mit Worten oder ganz kurzen Sätzen antworten, Gesagtes weder verbal noch nonverbal kommentieren, klare und kurze Aufforderungen kommunizieren.

Nie eine Aussage abwerten, belächeln, bespötteln oder zu verbessern versuchen. Mit solch einfachen Mitteln kann dem Dementen geholfen werden. Man wird ja wohl noch vergessen dürfen. Vergessen wir Nichtdementen oder „noch nicht Dementen“ im Laufe des Lebens nicht auch eine ganze Menge? Die Menge des Vergessens verteilt sich unbemerkbarer, weil über einen langen Zeitraum als das bei einem Dementen der Fall ist. In der Demenz geht es alles ein bisschen schneller und viel gründlicher. Demenz ist keine Erkrankung sondern eine mögliche Erscheinung im Alterungsprozess. Wir sollten daher auch nicht von Kranken sprechen.

Ich möchte Sie fragen wie Sie sich fühlen würden, wenn Sie dement sind und ihr gesamtes Umfeld von Erkrankung in diesem Zusammenhang spricht. Sie aber empfinden sich nicht krank, sie wissen nicht wovon diese Menschen um sie herum sprechen, sie wissen nicht was diese meinen, Sie fühlen ich gut in ihrer Haut, sie leben in ihrer Welt ohne zu wissen, dass es da noch eine andere Welt gibt. Sie verstehen nicht warum sie krank ein sollen, sie verstehen nicht warum man sie belächelt und sich ihr Umfeld sie anders wünscht als Sie sich geben. Sie verstehen nicht warum viele Leute auf Sie einreden und Sie es nicht verstehen, sie wissen nicht warum Sie zum Arzt gebracht wurden und was das alles bedeutet.

Vor allem zu Beginn der Phase „vergessen“ erleben viele der Betroffenen mit, dass sie Verrichtungen im Alltag, d.h. im Haushalt oder bei der Gartenarbeit nicht mehr selbst bewältigen können. Viele von ihnen flüchten dann in eine Art Selbstschutz indem sie fest behaupten sie erledigen noch alles wie früher (und manche GutachterINNEN vom MDK nehmen diese Aussagen dann gerne in die Dokumentation auf, wenn sie bei uns vor Ort in einem tschechischen Seniorenheim den/die SeniorIN besuchen ). Defizite in der Wortfindung überspielen andere Betroffene wiederum indem sie viel erzählen meistens nicht sonderlich zusammenhängend und wieder andere machen Witze und Späße um die für sie peinliche Situation zu meistern. In den späteren Stadien ist den Betroffenen dann nicht mehr bewusst, dass sie ein Defizit haben. Trotzdem sollten wir sie weiter behandeln wie Erwachsene,
vor allem aber mit Respekt, Güte, Unaufgeregtheit, Verständnis und Nachsicht.

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juraj

Von juraj

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