So. Mai 19th, 2024

Musik wurde jahrzehntelang mithilfe von Schallplatten, Kassetten und CDs konsumiert. Doch die Erfindung von MP3 sorgte für eine Revolution, die bis heute anhält. Das digitale Datenformat befreite die Musik von ihren physischen Fesseln und sorgte für eine Verlagerung ins Netz. Doch auch jene Downloads, die für eine Erschütterung der Musikindustrie sorgten, zählen heute nur noch zum alten Eisen. Das schwedische Unternehmen Spotify brachte die Konsumenten mit seiner Technologie dazu, Musik zu mieten, anstatt sie wie bisher zu besitzen. 80 Prozent der Hörer von Spotify sind unter 35 Jahre alt, sie warteten offenbar nur auf so ein Geschäftsmodell und griffen begierig zu.

Das Konzept, den gesamten Musikkatalog weltweit auf Knopfdruck verfügbar zu machen, hat die Musikindustrie auf den Kopf gestellt. Glaubte man zuvor noch, dass die Zukunft der Plattenfirmen in einer digitalen Musikbibliothek liegen würde, aus der sich die User ihre Songs herunterladen, fegte Spotify alle bisherigen Formen digitaler Musik vom Markt. Daniel Ek und Martin Lorentzon gingen mit ihrem revolutionären Konzept All-in und gewannen auf ganzer Linie.

Eine Technologie, die alle Konkurrenten verdrängt

Doch die beiden Schweden saßen auf einer disruptiven Technologie, und wussten diese am Markt zu platzieren. Das gelang in der Unterhaltungsbranche schon einigen Unternehmen zuvor, die altbekanntes in einen neuen technischen Kontext setzten und so den Markt für sich erobern konnten. Netflix baute seine Online-Videothek zu einem digitalen Streamingdienst um und schuf damit eine neue Branche. Diese macht herkömmlichen TV-Sendern Konkurrenz und lässt deren Seherzahlen einbrechen. Ähnliches gelang auch der Online Pokerbranche. Unternehmen wie PokerStars nutzen die technischen Möglichkeiten, die das Netz bot und hievten das Geschäftsmodell des Kartenspiels ins Netz.

Dort trafen die Spieler auf Konkurrenten aus aller Welt. Das enorme Tempo bei Online Poker sorgte nicht nur für eine hohe Lernkurve, sondern auch für mehr Spannung. Das erkannten auch die TV-Sender, die damit begannen Pokerturniere im Fernsehen zu übertragen. Heute ist das Spiel so populär, dass sogar einige Pokerbegriffe wie All-In in den täglichen Sprachgebrauch übergegangen sind. Von der Beliebtheit profitierten nicht nur die Sender, sondern auch das Spiel selbst, das in Folge einen nie zuvor gekannten Boom erlebte. Diesem Prinzip folgte auch Spotify, indem es Technik, Unterhaltung und Soziale Interaktion miteinander verband. Einmal damit konfrontiert, reagierte das Kollektiv an Musikfreunden in aller Welt völlig synchron.

Es erkannte die enormen Vorteile von Spotify und stürzte sich auf die neue Form, Musik zu konsumieren. Das bekamen in Folge die physischen Verkäufe von CDs dramatisch zu spüren. Spotify entwickelte alle Anzeichen einer disruptiven Technologie und verdrängte seine Konkurrenten vom Markt. Heute haben sich Schallplatten zwar als nostalgisches Nischenprodukt etabliert, doch herkömmliche Formate, wie die CD oder der kommerzielle Download sehen ihr Ende bereits in Sichtweite. Spotify hat die Art und Weise, wie heute Musik konsumiert wird, ursprünglich definiert. Längst sind die Tech-Konzerne wie Apple und Amazon Musik nachgezogen, doch das Original geht auf den Erfindungsgeist eines kleinen schwedischen Teams zurück. Die Auswirkungen dieser Erfindung waren nachhaltig.

Von der CD zum Konzert

Etablierte Musiker verdienen ihr Geld heute vor allem durch Live-Shows. Während früher mit erfolgreichen Veröffentlichungen Millionenumsätze erzielt wurden, kommen die Einnahmen heute vor allem aus den Tourneen. Die Ticketpreise sind gleichzeitig mit dem Aufstieg von Spotify explosionsartig angestiegen. Die geringen Einnahmen aus dem Verkauf physischer Musik haben sich ebenfalls auf die Produktion ausgewirkt.

Junge Musiker erhalten weniger Studiozeit und müssen von Beginn ihrer Karriere an liefern. Niemand investiert noch mehrere Alben in eine Band, wenn sie keine Hits produziert. Musik wird verstärkt, wie am Fließband produziert, die Daten dazu liefert das Hörverhalten auf Streamingdiensten wie Spotify. Das zeigt sich beispielsweise am Intro von Songs. Wenn Musik nicht innerhalb von 20 Sekunden überzeugt, springt der Hörer weiter zum nächsten. Dementsprechend passen die Produzenten ihre Stücke an diese Vorlieben an. Songs mit minutenlangen Intros finden kein Massenpublikum mehr und werden daher kaum mehr produziert. Diese Arbeitsbedingungen schaden der Kreativität und machen Musik zunehmen stromlinienförmig.

Das Geld fließt an die Plattenfirmen

Trotz der enormen Marktmacht von Spotify macht das Unternehmen nicht durchgehend Gewinn. Quartale mit Überschüssen wechseln sich mit Quartalen mit hohen Verlusten ab. Nichtsdestoweniger steigt die Zahl der User weiterhin stark an. Aktuell kann Spotify auf 433 Millionen aktive Nutzer pro Monat verweisen, rund 188 Millionen davon haben ein Bezahl-Abo. Doch selbst diese enormen Zahlen reichen nicht aus, um Spotify nachhaltig Gewinne zu verschaffen. Bis zum 3. Quartal 2018 schrieb der Streamingdienst ausschließlich Verluste.

Das liegt auch daran, dass rund 75 Prozent aller Einnahmen des Unternehmens an die Plattenfirmen fließen. Sie stellen jenen Content zur Verfügung, der Spotify erst möglich machte. Die Musiker selbst werden pro Stream bezahlt. Doch man muss als Musiker schon auf enorme Reichweiten kommen, um mit dem Streaming tatsächlich gut zu verdienen. Schließlich garantiert das Modell den Musikern lediglich im Schnitt 0,3 Cent je geklickten Song. Die erfolgreichsten Songs auf Spotify überschreiten die magische Grenze von 1 Milliarde Streams. Das hört sich enorm an, doch die Superstars erhalten dafür lediglich eine Summe von durchschnittlich 3 Millionen Euro brutto. Das bedeutet, dass nur die erfolgreichsten Stars der Welt, enorme Summen kassieren können.

Dementsprechend niedrig fällt auch die Vergütung für Musiker aus, die meilenweit von solchen Zahlen entfernt sind. Kein Wunder also, dass sie bessere Bedingungen fordern, schließlich verdient Spotify und damit die Plattenfirmen an ihrer Arbeit. Doch das Streamen ist längst Realität und wird die Industrie auch weiterhin bestimmen. Jetzt geht es für die Kreativen darum, einen Umgang damit zu finden, der ihr finanzielles Überleben sicherstellt.

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