Die jüngste Entscheidung zugunsten eines zeitlich eingeräumten Mietendeckel in Berlin hat mehr als nur Symbolcharakter, auch für jene die nicht direkt davon betroffen sind. Denn was sich in den vergangenen Monaten in der Hauptstadt abgespielt hat zeigt ganz deutlich, wie die Machtverhältnisse mittlerweile sind und wie sich öffentlicher Protest dagegenstellen kann. Was aber lässt sich aus dieser Entscheidung ableiten und kann dadurch auf Dauer wirklich eine Änderung der Machtverhältnisse zwischen Mietern und Gesellschaften passieren? Der vorsichtige Versuch einer Einschätzung.
Was genau ist passiert?
Wer die News in den letzten Wochen und Monaten nicht verfolgt hat: Berlin hat sich erfolgreich dagegen aufgelehnt, dass für die kommenden fünf Jahre die Mieten in der Hauptstadt nicht über ein bestimmtes Level erhöht werden dürfen. 2024 wird also neu verhandelt und wahrscheinlich ein dann stimmigeres Level aufgesetzt. Alles aber zu seiner Zeit. Was für 2019 und die kommenden Jahre wichtiger ist, liegt auf der Hand. Die Einwohner der Stadt können sich darauf einstellen, dass die vielen Baugenossenschaften nicht durch fadenscheinige Erklärungen plötzlich die Miete anziehen können. Besonders für Ecken der Stadt, die immer noch nicht finanziell so ausgeglichen sind wie andere, beispielsweise Marzahn, sind dies wirklich gute Nachrichten. Denn in der jüngeren Vergangenheit wurden die Mietpreise meist wie ein Besuch im Casino Online betrachtet. Der Wohnungsmarkt aber sollte kein Glücksspiel sein, denn zu viele Leben hängen daran. Die Entscheidung des Berliner Senats also, die kommenden fünf Jahre für viele Genossenschaften keine Mietverteuerung zu erlauben ist es ganz wichtiges Zeichen dafür, dass die Politik den kleinen Mann noch nicht vergessen hat. Was genau aber heißt das für Verbraucher und Staat?
Historische Chance oder Planwirtschaft?
Wie so oft bei Entscheidungen, die sich im großen Rahmen gegen eine Gruppe wenden, gibt es auch hier zwei sehr konträre Meinungen. Auf der einen Seite stehen all jene, die in den letzten Jahren verzweifelt mitansehen mussten, wie der Quadratmeterpreis stets anstieg, ohne dass sich was an der eigenen Lebenssituation geändert hat. Auf der anderen Seite aber stehen die Vertreter und Juristen der Genossenschaften, die dagegen protestieren, dass die Politik in die freie Wirtschaft derart rabiat eingreift. Ist es also Planwirtschaft, ein Konstrukt welches seit der Wende in Deutschland nicht mehr stattgefunden hat? Oder ist es vielmehr eine historische Chance, um der wachsenden sozialen Ungleichheit in der Bundesrepublik Einhalt zu gebieten. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich wie so oft irgendwo in der Mitte.
Fakt ist also, dass sich die Mieter der 1.5 Millionen Wohnungen in Berlin, die unter der Deckelung liegen, für einige Jahre vom ganz großen Stress befreien können, ein Freifahrtschein ist dies aber freilich immer noch nicht. Denn bis das Urteil vor den Gerichten Bestand haben wird, ist immer noch ein wenig Zeit. Und bis dato kann man diese vielleicht mit einer Partie im Book of Dead verbringen, um sich auf andere Gedanken zu bringen.
Berlin polarisiert, schon immer und wahrscheinlich auch für immer. Die Hauptstadt aber gibt den Ton vor, wenn es um soziale Gerechtigkeit und Kämpfe gegen die Kommerzkultur geht. Das macht die Stadt weiterhin so besonders und lebenswert.